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Mittelbayerische Zeitung: Kein Ruhekissen Die Aussöhnung mit Polen ist gelungen. Nun geht es darum, gemeinsam an Europa zu arbeiten. Von Ulrich Krökel

Regensburg (ots)

Willy Brandts Kniefall, der Solidarnosc-Aufstand, die friedlichen Revolutionen, die Wiedervereinigung und die EU-Osterweiterung: Die deutsch-polnischen Beziehungen der vergangenen 40 Jahre sind reich an spektakulären Ereignissen. 1972 nahmen die Bundesrepublik und die Volksrepublik diplomatische Beziehungen auf. Selbst dieser eher technische Vorgang zog im Kalten Krieg als sichtbares Zeichen der weltweiten Entspannung viel Aufmerksamkeit auf sich. Doch das historisch Große spiegelt sich mitunter auch im Unspektakulären. Erst vor wenigen Tagen präsentierte der Rat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung sein Konzept für das sogenannte Vertriebenenzentrum in Berlin - und nichts geschah. Wütende Reaktionen in Polen, wie es sie in der Vergangenheit wegen der Ausstellungspläne immer wieder gegeben hatte, blieben diesmal aus. Noch vor fünf Jahren, am Ende der Kaczynski-Ära in Warschau, wäre dies undenkbar gewesen. Die nationalistischen Zwillinge betrieben als Präsident und Premier eine betont antideutsche Politik und instrumentalisierten dafür vor allem die Geschichte. In Berlin griffen konservative Kreise um Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach den Fehdehandschuh allzu gern auf. Nun aber ist alles anders. In Warschau regiert der liberale, deutschlandfreundliche Donald Tusk. Zugleich haben Erika Steinbach und die Vertriebenen in einer gewandelten CDU unter der ostdeutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel dramatisch an Einfluss verloren. Die deutsch-polnischen Beziehungen sind ausgezeichnet. Es ist keine Übertreibung zu sagen: Das Verhältnis ist so gut wie seit Jahrhunderten nicht mehr. Seit sich die Preußen mit Österreichern und Russen im 18. Jahrhundert zusammentaten, um Polen zu teilen und später von der Landkarte Europas zu eliminieren, galten die Nachbarn im Herzen des Kontinents als Gegner oder sogar Feinde. Im Zweiten Weltkrieg erreichte der Hass seinen apokalyptischen Höhepunkt. Die Schuld trugen die Deutschen. Deshalb auch tragen sie bis heute schwerer als andere an der Verantwortung für die Zukunft. Mit Polen ist die Versöhnung gelungen. Lorbeeren allerdings taugen nicht als Füllung für ein Ruhekissen. Die Politiker in Warschau und Berlin sind gefordert, gemeinsam voranzuschreiten und Europa zu gestalten. Dabei jedoch hapert es in Zeiten der Euro-Krise sichtbar. All die schönen Sonntagsreden können nicht überdecken, dass von einer echten strategischen Partnerschaft noch nicht die Rede sein kann. Verantwortlich dafür ist die deutsche Seite. Die Bundesregierung setzt allzu einseitig auf die deutsch-französische Karte oder probt den Alleingang. Es ist schon wahr: Polen hat als Nicht-Euro-Staat derzeit in Brüssel weniger Gewicht als andere EU-Mitglieder. Daran trägt das Land selbst die Schuld. Trotz eines jahrelangen Wirtschaftswunders und stabiler Staatsfinanzen hat es die Regierung in Warschau versäumt, den Beitritt zur Währungsunion mit Macht voranzutreiben - anders als beispielsweise die Nachbarn Slowakei und Estland. Mag sein, dass die Zurückhaltung ökonomisch sicherer ist. Politisch jedoch hat die Tusk-Regierung ein Eigentor geschossen. Die einst große Zustimmung zu Europa und dem Euro ist in Polen in einem rasanten Sinkflug begriffen. An Deutschland wäre es gewesen, den Nachbarn im Osten in Brüssel stärker zu protegieren. Die hohe Kunst der Diplomatie ist es, Macht und Einfluss zu kanalisieren. Statt mit den wechselnden französischen Präsidenten ihr Dauer-Rendezvous zu pflegen, hätte Kanzlerin Merkel längst das sogenannte Weimarer Dreieck Paris-Berlin-Warschau wiederbeleben können. Warum der Wille dazu in Berlin nicht vorhanden ist, bleibt 40 Jahre nach dem deutsch-polnischen Botschafter-Austausch ein Rätsel. Wenn das Ziel "mehr Europa" heißt, geht dies nur mit Unterstützung aus dem Osten. Wer von europaweiten Volksabstimmungen spricht, begeht einen Fehler, die 38 Millionen Polen mit ihrer wachsenden EU-Skepsis nicht zu berücksichtigen.

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