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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Familiennachzug/GroKo: Throphäen für alle von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Wenn am Ende alle Seiten eine Trophäe in der Hand halten können, dann spricht man in der Politik gewöhnlich von einem guten, einem tragbaren Kompromiss. Mit der von den Koalitionären in spe` gefundenen Regelung zum Familiennachzug für Kriegsflüchtlinge, die nur einen eingeschränkten Schutzstatus genießen, ist das gestern gelungen. Sowohl die CSU als auch die SPD können sich als Gewinner fühlen. Ob in dem politischen Kuddelmuddel, in dem kleinlichen Gefeilsche der schwarz-roten Koalitionsverhandlungen allerdings Normalsterbliche noch durchsehen, darf bezweifelt werden. Doch der Reihe nach. Die Christsozialen dürfen sich ans Revers heften, dass es "kein Mehr an Zuwanderung" geben werde. Das ist einerseits zwar richtig, denn es bleibt bei der bereits in der Sondierung festgezurrten Begrenzung des Familiennachzugs in der Größenordnung von 1000 Personen pro Monat. Andererseits ist dies bei Lichte besehen aber nur die halbe Wahrheit. Über eine Härtefallregelung, die übrigens das bestehende Aufenthaltsgesetz bereits zulässt, kommt eine Zahl X obendrauf. Nämlich für diejenigen Familienangehörigen, die aufgrund der Härtefallregel nach Deutschland kommen dürfen. Die Entscheidung über die harten Fälle liegt bei den Innenbehörden von Bund und Ländern. Schon von daher ist eine Steuerungsmöglichkeit eingebaut. Die Trophäe der CSU ist also gar nicht so groß. Aber darauf kommt es offenbar jetzt gar nicht an. Die Sozialdemokraten wiederum hatten Änderungen beim Familiennachzug gewissermaßen zum Testballon aufgeblasen, ob es wirklich zu einer neuen GroKo kommen kann oder nicht. Martin Schulz und Andrea Nahles können nun "Vollzug" melden. Man geht über das Sondierungsergebnis hinaus. Familiennachzüge nach der Härtefallregelung werden nicht auf die 1000 Fälle von "normalem" Familiennachzug angerechnet. Doch wie bei der CSU gilt auch hier: Der Triumph ist kleiner, als es die SPD-Spitzen dem Publikum weismachen wollen. Bislang kamen über die Härtefallregel weniger als zehn Menschen pro Monat ins Land. Wenn man so will, sorgt die SPD für ein bisschen mehr Humanität. Ein Gnadenrecht, das es bereits gibt, wird festgezurrt. Mehr nicht. Das Grundgesetz, das eigentlich den besonderen Schutz von Ehe und Familie vorsieht, wird damit wortreich umschifft. Ein bisschen jedenfalls. Das Thema bleibt dennoch auf der Agenda. Zumindest aber verschaffen sich Union und SPD erst einmal Luft bis zum Sommer. Bis nach der Regierungsbildung. Doch wichtiger als die Kritik an einer halb garen Regelung ist die Tatsache, dass Union und SPD mit dem Kompromiss zum Familiennachzug für Kriegsflüchtlinge eine große Hürde für die nächste gemeinsame Regierung überraschend geräuschlos aus dem Weg geräumt haben. Die Regelung dient auch und vor allem der innerparteilichen Befriedung. In CSU und CDU, vor allem aber in der SPD, über der das Damoklesschwert des Mitgliederentscheids hängt. Hartgesottene No-GroKos unter den Sozialdemokraten, etwa unter den Jusos, dürfte der jetzige Kompromiss nicht plötzlich zu einem Ja bewegen. Möglicherweise jedoch befindet eine Mehrheit in der SPD, dass es gut ist, dass überhaupt noch etwas bewegt werden konnte. Damit wächst zugleich die Begehrlichkeit, dass auch bei den anderen beiden essenziellen SPD-Forderungen noch etwas gedreht werden kann. Stichwort: Zweiklassenmedizin von gesetzlich und privat Versicherten sowie sachgrundlos befristete Arbeitsverträge. Eigentlich sind beide Punkte ziemliche Kröten für die Union. Doch die schwarzen und roten Verhandler dürften so fantasievoll sein, wolkige Formelkompromisse zu finden, damit Änderungen sowohl bei der kritikwürdigen Gesundheitsversorgung als auch bei den familienunfreundlichen Zeitverträgen von der Union geschluckt werden können. Es wird immer deutlicher: der Kitt des Gemeinsam-Regieren-Wollens verbindet Union und SPD schon jetzt.

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