Ostsee-Zeitung: Vorabmeldung der OSTSEE-ZEITUNG Rostock:
Rostock (ots)
Stasi-Unterlagenchef Jahn: Aufarbeitung DDR-Geschichte zu sehr auf Stasi fixiert/ Alltag in der DDR kaum erforscht/ Ex-Stasi-Mitarbeiter sollten Behörde freiwillig verlassen.
Rostock. Der Chef der Stasi-Unterlagenbehörde Roland Jahn hat die bisherige Aufarbeitung der DDR-Geschichte kritisiert. Der Rostocker Ostsee-Zeitung (Montag) sagte Jahn: "Ich denke schon, dass 20 Jahre Aufarbeitung der DDR-Geschichte zu sehr auf das skandalträchtige Thema Stasi fixiert war. Dadurch ist vieles andere verloren gegangen. Es wurde viel zu wenig über das ganz normale Leben in der DDR gesprochen und geforscht. Es geht um den Alltag in der Diktatur."
Jahn erklärte, es habe bei vielen ein Interesse daran gegeben, "alles auf die Stasi zu schieben". Das habe abgelenkt von der Verantwortung der SED, die ja der Auftraggeber des MfS-Apparates gewesen sei, "aber auch von der Verantwortung der Menschen, die sich angepasst hatten, die Mitläufer waren". Jahn kritisierte zugleich die Wahrnehmung, vornehmlich im Westen Deutschlands, "DDR gleich Stasi". So sei es nicht gewesen. Jahn sprach sich dafür aus, die Menschen in der ehemaligen DDR bei ihren eigenen Erlebnissen abzuholen. "Wir müssen deutlich machen, wie hat der Alltag in der Diktatur funktioniert."
Zum Problem der in seiner Behörde beschäftigten 47 ehemaligen hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter schlug Jahn vor, diese Beschäftigten sollten freiwillig die Behörde verlassen. Er fände es gut, wenn die Ex-Stasi-Mitarbeiter dabei mithelfen würden, die Verletzungen der Opfer zu heilen. "Nicht mehr in der Behörde zu arbeiten, wäre so ein Zeichen dafür, dass man die eigene Rolle im Unterdrückungsapparat begriffen hat und die Empfindungen der Opfer respektiert."
Jahns Vorstoß gleich zu Beginn seiner Amtszeit hatte für heftige Diskussionen und zu scharfer Kritik geführt. Ende des Monats soll ein arbeitsrechtliches Gutachten vorliegen, das klären soll, ob die Anfang der 90er Jahre noch unter Joachim Gauck übernommenen einstigen Stasi-Mitarbeiter in andere Bundesbehörden versetzt werden können.
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