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Die wahren Opfer
Kommentar von Klaus Thomas Heck zu Putins Krieg

Mainz (ots)

Vergessen sind all die Besuche westlicher Diplomaten und Spitzenpolitiker in Moskau, um Russland von seinen Kriegsplänen abzubringen. All die Lügen des Kreml über angebliche Übungen, die selbstverständlich an der ukrainischen Landesgrenze enden würden. All die Drohungen aus Moskau in alle Himmelsrichtungen. Nein, nach Wladimir Putins Lesart ist Russland das Opfer eines Krieges, den andere entfesselt haben. Wer, das verrät er bei seiner Rede auf dem Roten Platz nicht. Vermutlich hätte er da bei so viel feierlicher Märchenstunde selbst lachen müssen.

Putin wollte diesen Krieg. Er hat ihn seit 2014, als sich die ukrainische Bevölkerung zunehmend von Russland abwendete, zielstrebig vorbereitet. Durch den Einsatz paramilitärischer Kräfte im Donbass und auf der Krim. Durch die völkerrechtswidrigen Annexionen. Durch Cyberattacken und Destabilisierungsversuche gegen die Demokratien des Westens. Und durch billiges Gas, das allzu verlockend wirkte - und gerade in Berlin so manchen blind machte für die Gefahren der Abhängigkeit.

All das hat der ehemalige KGB-Agent geschickt vorangetrieben. Womit er nicht rechnete, war der breite Widerstand der Ukrainer, die wie viele andere ehemalige Sowjetbürger nichts mehr fürchten als eine erneute Unterwerfung durch Moskau. Und die deshalb nun, wie Schweden und Finnland, in die Nato streben. Putin verkannte zudem den erbärmlichen Zustand seines eigenen Militärs. Hätte Putins Armee - wie offensichtlich vom Kreml erwartet - binnen weniger Tage Kiew erobert, der Westen hätte das Unvermeidliche wohl akzeptieren müssen. Washington, Brüssel, Berlin oder Paris wagten sich erst spät aus der Deckung. Und hatten nach dem Desaster von Afghanistan 2021 vermutlich nur wenige Ambitionen auf eine erneute Blamage. Umso absurder ist es, wenn Putin nun ausgerechnet im Ausland die Ursache des von ihm selbst entfachten Krieges wähnt. Man erinnere sich nur an das Telefonat Putins mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron wenige Tage vor dem 24. Februar 2022. Macron versuchte ihm den Überfall auf die Ukraine auszureden. Vergebens. Putin beendete das Gespräch damit, dass er jetzt zum Eishockey gehe. So viel zum Interesse des Kreml an einer friedlichen Lösung.

Der Potentat wurde Opfer des eigenen Machtapparates - und der eigenen Propaganda. In einem Land, in dem Oppositionelle weggesperrt werden und Kritiker bisweilen aus Fenstern fallen, ist es nicht empfehlenswert, dem Diktator schlechte Botschaften zu übermitteln. Und so wagte wohl niemand, dem Herrscher zu erklären, dass die Ukrainer gar nicht gewillt waren, sich zu unterwerfen. Und dass das russische Militär - abseits der Protzparaden auf dem Roten Platz - mit allerlei Korruption, schlechter Moral und desaströser Logistik zu kämpfen hat. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet eine mit Kriminellen durchsetzte Söldnertruppe in diesen Tagen für Moskau die größten Erfolge erzielt.

Nein, nicht Russland ist das Opfer dieses Krieges. Es sind die Ukrainer, deren Heimat Putin in Schutt und Asche legt. Und seine eigenen Soldaten, die er für seine Großmachtträume verheizt. Und all die Zivilisten, die in seiner Heimat und in vielen anderen Ländern unter den Folgen der westlichen Sanktionen und der Kriegskosten leiden.

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