Illegaler Organhandel: Wurden Kosovo-Serben unter den Augen von Bundeswehrsoldaten nach Albanien entführt?
Hamburg (ots)
In einem bisher vertraulichen Bericht der Vereinten Nationen schildern frühere Angehörige der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK, wie serbische Gefangene in den Jahren 1999 und 2000 von der UÇK aus dem Bundeswehr-Sektor des Kosovo entführt und später offenbar ermordet wurden. Einer der Zeugen berichtete UN-Ermittlern, wie ein solcher Transport unter den Augen deutscher Soldaten die Grenzkontrollen nach Albanien passierte: "Sie hupten den Deutschen zu, und das war alles."
Einer Untersuchung des Europarates zufolge wurde eine Reihe von Gefangenen danach offenbar getötet, um ihnen Organe zu entnehmen, berichtet das Radioprogramm NDR Info. In dem NDR Info vorliegenden Dokument der UN-Kosovo-Mission UNMIK von 2003 werden als Ausgangspunkte der illegalen Gefangenentransporte unter anderem die Orte Prizren, Suva Reka und Orahovac genannt, die seit damals unter der Kontrolle des Bundeswehr-Kontingents der NATO-Truppe KFOR stehen. Bekannt war bisher lediglich, dass Gefangene der UÇK aus dem Kosovo deportiert worden waren, nicht jedoch aus welchen Orten. Entsprechende Angaben waren in einer vor wenigen Wochen veröffentlichten Version der Zeugenprotokolle noch geschwärzt.
Ein Sonderermittler des Europarates, der Schweizer Dick Marty, hatte im Dezember 2010 die Ergebnisse einer zweijährigen Untersuchung zu den Deportationen und zum Organhandel vorgelegt. Marty sprach darin von "zahlreichen konkreten und übereinstimmenden Hinweisen", wonach nach dem Ende des Kosovo-Krieges 1999 serbische Gefangene von der UÇK im Norden Albaniens festgehalten worden seien, "bevor sie endgültig verschwanden". In einer Klinik unweit des Flughafens der albanischen Hauptstadt Tirana wurden Martys Bericht zufolge den Serben offenbar Organe entfernt, um diese ins Ausland zu verkaufen. Der Europarat hatte im Januar weitere Untersuchungen der EU-Polizei- und Justizmission im Kosovo (EULEX) zum mutmaßlichen illegalen Organhandel im Kosovo gefordert. Nach Angaben von UNMIK sind seit dem Krieg ungefähr eintausend Serben, Roma und als Verräter denunzierte Kosovo-Albaner verschwunden.
Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums erklärte gegenüber NDR Info, dass damals lediglich "Indizien für die Existenz von illegalen Gefängnissen der UÇK bzw. der UÇK-Polizei" gefunden worden seien: "Konkrete Hinweise auf Deportationen von Serben und Roma nach Albanien oder in sonstige Nachbarländer des Kosovo lagen ebenso wenig vor wie konkrete Hinweise auf angeblichen Organhandel." Ein hoher deutscher Offizier sprach gegenüber NDR Info hingegen von Hinweisen, "dass entführte Albaner, Serben, Roma und Bosnier nach Albanien geschafft wurden, wo weitere Gefängnisse existieren sollten. Für mich stellte sich die Lage so dar, dass die Entführten zur Zwangsarbeit auf die Territorien der führenden kosovo-albanischen Clans in Albanien geschafft wurden." Von Morden oder Organhandel habe jedoch auch er damals "niemals etwas gehört".
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6. April 2011
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