Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema "freiwillige Wehrpflicht"
Bielefeld (ots)
Heute will der SPD-Vorstand das Konstrukt »freiwillige Wehrpflicht« absegnen, das der Bundesparteitag Ende Oktober verabschieden soll. Was bei den Sozialdemokraten jetzt als Kompromiss verkauft wird, ist eine verworrene Idee, auf die man aber erst einmal kommen muss. Es ist ja kein Geheimnis, dass sich in der Partei seit Jahren zwei starke Fraktionen von Gegnern und Befürwortern der Wehrpflicht gegenüberstehen. Bisher hat sich sie Parteiführung immer davor gescheut, diesen Konflikt offen zu diskutieren und ein Ergebnis zu präsentieren, das eindeutig ist: also Ja oder Nein zur Wehrpflicht. Im Koalitionsvertrag mit der Union, der bis 2009 gilt, war das Bekenntnis zur Wehrpflicht noch eindeutig. Die Absicht, die hinter diesem faulen Kompromiss von SPD-Chef Kurt Beck und seinen Mitstreitern steckt, ist allzu durchsichtig: Man glaubt, damit den Koalitionsvertrag zu erfüllen und will dem auf dem Parteitag befürchteteten Richtungsstreit die Spitze nehmen. Beide Seiten in der SPD können sich als Sieger fühlen. Die Befürworter, weil an der im Grundgesetz verankerten Wehrpflicht ja »grundsätzlich« festgehalten werden soll. Und die Gegner, weil klar ist, dass dies der Anfang vom Ausstieg aus der bisher bewährten Wehrpflicht ist. Am Ende steht die Berufsarmee. Das wissen Kurt Beck, Peter Struck, Franz Müntefering und all die anderen prominenten Sozialdemokraten, die bisher die Wehrpflicht so vehement verteidigt haben, nur allzu genau. Sie haben doch immer gesagt, dass die Bundeswehr eine Truppe von Bürgern in Uniform bleiben soll. Wenn sie jetzt diesen Kompromiss vorlegen, werfen sie ihre ganze Überzeugung in dieser Frage über Bord. Das jedoch verwundert schon lange nicht mehr. Die SPD-Spitze mag damit die Genossen auf dem Parteitag in Hamburg zufrieden stellen. Beim Wahlvolk wird sie aber nicht landen können. Dieser Schlingerkurs kann die Partei in den Umfragen noch weiter in den Keller führen. Wie immer man zur Wehrpflicht stehen mag: Da freut man sich doch über den klaren Kurs von Linken und Grünen, die die Abschaffung fordern, und über den der Union, die weiterhin an der Wehrpflicht festhalten will. Die FDP aber sollte sich lieber zurückhalten. Sie wettert, die SPD-Vorschläge seien weder Fisch noch Fleisch. Das ist zwar richtig, doch wenn die Liberalen für ein Aussetzen der Wehrpflicht plädieren, drücken doch auch sie sich vor einer klaren Entscheidung. Kompromisse à la SPD oder FDP helfen nicht weiter. Was fehlt, ist eine offene und ehrliche Diskussion darüber, ob die bisher bewährte Wehrpflicht nun wirklich ein Auslaufmodell ist oder immer noch in die Zeit passt. Beim Abwägen der Vor- und Nachteile der Wehrpflicht muss vordringlich eine Frage beantwortet werden: Soll die Bundeswehr weiterhin in der Gesellschaft verankert bleiben?
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