Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Griechenland:
Bielefeld (ots)
In seinem »Höhlengleichnis« hat der griechische Philosoph Platon (428 - 378 v. Chr.) Menschen beschrieben, die zeit ihres Lebens niemals ihren ummauerten Raum verlassen. Sie sehen nur die Schatten an der Wand. Wie es draußen, außerhalb der Höhle, wirklich aussieht, darüber haben sie nicht einmal eine Vorstellung. Wenn ihnen ein Mensch darüber berichtete, würden sie ihn nicht verstehen. Manche Kritiker der Griechenland-Hilfe benehmen sich, als lebten sie in einer Höhle. Es ist so schön, auf Athen einzuschlagen, dass man die andere Seite der Wirklichkeit offenbar nicht zur Kenntnis nehmen möchte. Dabei ähnelt die Situation heute der vom September 2008. Damals wurde weltweit gefordert, mit der Bankenrettung müsse es ein Ende haben. Die Pleite von Lehman Brothers aber zog danach solche Kreise, dass der wirtschaftliche Schaden viel größer war als die Kosten für das ursprünglich angepeilte Rettungspaket. Ähnliches droht nun für den Fall, dass sich die Kritiker in ihrer Höhle durchsetzten und Europa den Griechen die Hilfe verweigerte. Am Ende müssten außer Athen auch Portugal und andere Staaten südlich der Alpen den der Staatsbankrott fürchten. Krisen lassen sich kaum regional begrenzen. Der Mathematiker Archimedes (287 - 212 v. Chr.), ebenfalls ein Grieche, konnte noch fordern: »Stört meine Kreise nicht!« Heute müsste man sich schon in eine Höhle einschließen, um die Außenwelt fernzuhalten. Sollte Athen seine Schulden nicht mehr bedienen, würden darunter nicht nur die Banken und Käufer von Griechenland-Anleihen leiden. Das Nachsehen hätten auch diejenigen, die - Beispiel: Tourismus - in deutsch-griechischen Gemeinschaftsunternehmen engagiert sind. Haben die Griechen weniger Geld, werden sie auch weniger Autos, Motorräder, Maschinen, Flugzeuge, U-Boote und andere teure Güter aus Deutschland kaufen. Fest steht: Athen hat sich den Zugang zum Euro-Land mit Mauscheleien verschafft. Doch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat Recht: Wer nur klagt, dies dürfe nicht ungestraft bleiben, verschließt die Augen vor den Einschnitten ins Sozialsystem, die schon beschlossen sind. Und wer die Rentenerhöhungen in Griechenland kritisiert, ohne die Höhe der Altersbezüge zu nennen, handelt unfair. Die Griechen haben mehr Grund als die Deutschen, den Euro als »Teuro« zu beklagen. Schulden haben es an sich, dass sie meist noch höher sind als anfangs eingeräumt. Dies ist im Fall Griechenland nicht anders. Natürlich ist es ärgerlich, dass die Regierungen - wie schon in der Bankenkrise - wieder alternativlos das Staatssäckel öffnen müssen. Umso wichtiger wäre es, neuen Krisen durch einen zweiten Maastricht-Vertrag vorzubeugen. Doch die Art, wie nach der Bankenkrise die notwendigen Änderungen der Finanzgesetze weltweit schon wieder auf die lange Bank geschoben werden, lässt wenig Hoffnung, dass die Europäische Union diese Aufgabe schnell löst.
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