Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Lage in Syrien und im Nahen Osten
Bielefeld (ots)
Niemand will Krieg. Auch nicht im Nahen Osten. Doch die ungezügelte Gewalt des syrischen Diktators Assad ruft die Nato zunehmend auf den Plan. Denn eines ist gewiss: So lange sich USA, Nato und die Nachbarn Syriens aus dem Bürgerkrieg heraushalten, wird Assad nicht einlenken. Er versteht nur die Sprache der Gewalt. Diplomatische Initiativen der Arabischen Liga oder UNO sind bisher gescheitert. Die militärische Option wird wahrscheinlicher.
Der Abschuss des türkischen Flugzeugs durch Syrien gibt der Türkei die Gelegenheit, die Nato nach Artikel 4 des Bündnisvertrags einzuschalten. Die Nato könnte feststellen, dass ein Angriff auf die Sicherheit der Türkei vorliegt. Dann wäre ein Krieg gegen Syrien auch ohne russische und chinesische Zustimmung im UN-Sicherheitsrat denkbar. Das ist zwar zurzeit nicht akut: Die Nato hält den abgeschossenen Jet für keinen ernsten Kriegsgrund. Doch die Flugzeug-Krise zeigt, dass eine Nato-Intervention prinzipiell nicht mehr ausgeschlossen werden kann.
Die Türkei würde bei einem Krieg gegen Syrien die Schlüsselrolle spielen. Dieser Krieg wäre riskant und teuer, doch Assad hätte keine Chance: Die Türkei verfügt über 700 000 Soldaten, 410 Kampfflugzeuge und eine moderne Marine. Hinzu kämen Aufklärung und Luftschläge der USA und anderer Verbündeter. Sollte die Türkei in Syrien einmarschieren, wäre das Ende der Assad-Ära gekommen. Auf etwaige Hilfe von Russland oder Iran könnte sich der Diktator nicht verlassen.
Für die Türkei bietet sich erneut die Chance, ihre strategische Position und militärische Stärke als Argument für den EU-Beitritt zu nutzen. Seit ihrem Nato-Beitritt 1952 bildet die Türkei die Speerspitze amerikanischer und europäischer Interessen zwischen dem Balkan, dem Nahen Osten, dem Kaukasus, Iran und Russland. Im Kalten Krieg war die Türkei der Südostpfeiler der Nato, heute dient sie als Puffer zwischen Europa und der arabisch-islamischen Welt. Die westliche Verankerung der Türkei schützt Europa gegen potentielle islamistische und expansionistische Aktivitäten in der Region. Seit langem klagen die Türken darüber, militärisch gleichberechtigt zu sein, aber wirtschaftlich auf Misstrauen zu stoßen.
Die Türkei wird wegen der aktuellen Jet-Krise keinen Krieg vom Zaun brechen. Kriege lassen sich leicht beginnen, beendet werden sie meist schwerer als geplant. Doch die Botschaft an Assad ist deutlich: Geht das Morden in Syrien weiter, könnte ihn eines Tages Gaddafis Schicksal ereilen.
Die USA haben den Flugzeug-Zwischenfall inzwischen »schamlos und inakzeptabel« genannt und bekundet, man werde »das Assad-Regime zur Rechenschaft zu ziehen.« Das ist klassische Kriegsrhetorik, die Assad unter Druck setzen soll. Lenkt er nicht ein, könnte er dereinst sein schlimmes Ende selbst verschuldet haben.
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