Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Ströbele bei Snowden
Bielefeld (ots)
Auch wenn der US-Fernsehsender CNN es genau anders herum berichtet hatte: Der Bundesaußenminister heißt Guido Westerwelle und nicht Hans-Christian Ströbele. Seit seinem angeblich so großen Coup, als erster Politiker weltweit mit dem Agenten Edward Snowden in Moskau gesprochen zu haben, ist der Abgeordnete der Grünen ein sehr gefragter Mann. Der 74-Jährige darf sich zwar über die große Aufmerksamkeit freuen. Aber der Bundesrepublik und den immer noch sehr wichtigen Beziehungen zu den USA hat er eher Schaden zugeführt als genützt. Seit dem Wochenende diskutiert Deutschland nicht mehr nur über die Frage »Darf die NSA das Smartphone der Bundeskanzlerin abhören?«, sondern auch darüber, ob Edward Snowden nach Deutschland kommen soll oder nicht. Politiker der SPD, Linkspartei und Grünen wollen dem Informanten Asyl geben oder freies Geleit im Fall einer Aussage garantieren. Beides wäre fatal für die Bundesrepublik. Nicht, weil Snowden ein Schwerverbrecher wäre. Nein, der ehemalige NSA-Mitarbeiter hat entscheidend dazu beigetragen, dass die seit Jahren andauernden Abhöraktivitäten der USA bekannt wurden, nicht nur die Überwachung von Angela Merkels Handy. Aber ihn jetzt nach Deutschland zu holen, würde das ohnehin sehr angespannte Verhältnis zu den USA wohl komplett zerrütten. Und daran kann den Deutschen - trotz aller Wut auf die USA und ihre Methoden - nicht gelegen sein. Was nicht vergessen werden sollte: Nach wie vor profitiert Deutschland wie kaum ein anderes Land von den hervorragenden Handelsbeziehungen zu den USA. Zehntausende von Arbeitsplätzen sind damit verbunden. Die USA sind Deutschlands Verbündete, auch wenn die Menschen hierzulande zuletzt einen anderen Eindruck hatten. Aber jetzt eine Retourkutsche zu starten, wäre nicht nur falsch, sondern auch taktisch unclever. Hans-Christian Ströbele hat die Bundesregierung mit seiner Polit-Show unter Druck gesetzt. Deutschland steckt in einem Dilemma. Auf der einen Seite muss es das Ziel sein, die Abhöraffäre mit oder ohne Hilfe der USA aufzuklären. Gleichzeitig droht ein massiver Konflikt mit Washington, sollte Snowden nach Deutschland einreisen dürfen. Was also tun? Während sich Bundeskanzlerin Angela Merkel noch nicht geäußert hat, schlägt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments, Elmar Brok, vor, Edward Snowden von einem Bundestags-Untersuchungsausschuss in Moskau vernehmen zu lassen. Weil er ein wichtiger Zeuge ist, könnte Snowden somit in Russland in den Räumen der Deutschen Botschaft gehört werden. Abzuwarten bleibt, ob Edward Snowden überhaupt weiterhelfen kann. Hans-Christian Ströbele hat er ja offenbar nicht viel Neues erzählt. Sollte es zu einem Verhör in Moskau kommen, darf man schon jetzt davon ausgehen, dass einer die Gespräche mitverfolgen wird: Russlands Präsident Wladimir Putin.
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