WDR Westdeutscher Rundfunk

Das Erste, Mittwoch, 7. Juni 2000, 23.00 Uhr
Mein liebster Feind
Ein Film von Werner Herzog

02.06.2000 – 15:57

Köln (ots)

Fast zehn Jahre nach Klaus Kinskis Tod hat sich der Regisseur
Werner Herzog noch einmal auf die Spuren ihres gemeinsamen Wirkens
begeben. An den früheren Drehorten erzählt er aus seiner Perspektive
und voller subtiler Ironie von den Höhe- und Tiefpunkten der
Zusammenarbeit.
Barbara Brückner und Michael André sprachen in Köln mit Werner
Herzog:
WDR:  Am 7. Juni wird Ihre aufsehenerregende Dokumentation "Mein
liebster Feind" im Ersten Deutschen Fernsehen gesendet. Was glauben
Sie, wird der Film bei den Zuschauern auslösen, bewegen?
Herzog: Ich glaube, es gibt ein bisschen schon eine Vorahnung
davon, weil der Film ja im Kino lief. Und da hat, glaube ich, das
Publikum sehr stark reagiert, weil der Film eine große Wärme und vor
allem viel Humor hat. Es wird ja mehr gelacht als in jeder Komödie.
Das ist das Seltsame und die Entdeckung bei mir gewesen. Und ich
hoffe auf eine ähnliche Reaktion. Publikum ist ja immer intelligent.
Viel intelligenter als man glaubt und hat auch genaues Gespür für
solche Dinge. Ich freue mich drauf, dass der Film jetzt ein größeres
Publikum haben wird.
WDR: Was war für Sie der Beweggrund, acht Jahre nach Kinskis Tod
diesen Film über Ihre beiderseitige Hassliebe zu drehen?
Herzog: Für mich lag eigentlich immer in der Luft, dass es mehr
war als eine persönliche Freundschaft, dass da etwas da war, was wie
die Quintessenz kreativer Zusammenarbeit von zwei Menschen ist. Ich
glaube auch, dass Kinski ein Besonderer war, der eine Intensität auf
der Leinwand hatte und eine dämonische Energie, die in der
Filmgeschichte ohne zitierbaren Vergleich ist. Das ganz Besondere,
das weit über das Private hinaus reicht, das dachte ich, muss
eigentlich einem breiteren Publikum gezeigt werden.
WDR: War der Film auch eine Möglichkeit für Sie, um Klaus Kinski
zu trauern?
Herzog: Wirklich getrauert habe ich um Kinski nie, denn unsere
Arbeit war schon drei Jahre vor seinem Tod beendet. Wir wussten, wir
würden nie mehr zusammen arbeiten. Aber er hat doch eine große Lücke
hinterlassen, eine große Leere. Und manchmal so fürchterlich und so
wunderbar er sein konnte und  so abstoßend und  unertragbar und eine
Pestilenz, die er war, die nirgendwo auf der Welt zu finden war.
Irgendwo fehlt er mir. Ich kann's nicht anders sagen. Er fehlt mir.
WDR: Würden Sie heute mehr lachen oder mehr weinen über ihre
gemeinsame Zeit mit Klaus Kinski?
Herzog: Ich glaube, der Film "Mein liebster Feind" zeigt es
deutlich, durch den Abstand der Zeit haben sich  auf einmal die
Perspektiven verändert. Das heißt, alle Wunden, die ich zu lecken
hatte, das ist geheilt und ist vorüber. Und auf einmal die Macht von
Zeit und das Mysteriöse von Zeit, die verläuft, von Jahren, die
vergehen, verändern einen und verändern die Perspektive. Heute, wenn
ich daran zurück denke dann ist das nur noch von Humor erfüllt und
von Wärme. Und genau dieses Klima hat der Film auch. Das kam einfach
so und das war auch richtig so.
WDR: Wie würden Sie Klaus Kinski kurz charakterisieren?
Herzog: Ein so komplexes Phänomen wie Kinski zu beschreiben, ist
gar nicht möglich. Man bräuchte eine Woche, um nur zu erzählen. Ich
glaube, er hatte etwas, was hochgradig empfindsam war bis zur
Hysterie. So wie ein Rennpferd, dass zur Panik neigt. Er hatte
dämonische Bösartigkeit in sich, eine Energie, die zerstörerisch war.
Zur selben Zeit aber von einer Sekunde zur anderen schwankend, konnte
er der großzügigste und liebenswürdigste Mensch sein, den man auf der
Welt finden konnte. Ich fand seine Jacke wunderbar, die er plötzlich
anhatte und er sagte: "Ah, Du hast das gesehen an mir. Das hat mir
gestern Yves Saint Laurent in Paris gemacht, er  hat es selber
geschneidert." Und  ich sagte: "Klaus, das ist so eine tolle Jacke."
Und er reißt sie sich vom Leib, wirft sie mir über die Schulter und
sagt: "Dann nimm sie. Jetzt gehört sie Dir." Keine Möglichkeit, sie
wieder zurückzugeben. Ich habe sie heute noch, und das sind so die
sehr schönen Erinnerungen an einen ganz großzügigen, liebenswürdigen
Mann und verwundbaren und verletzlichen Mann. Komplex, schwierig, von
Ängsten geplagt, am Rande des Irrsinns entlangtaumelnd. Und immer
wieder vollkommen klar im Kopf und einzigartig als Kinofigur. Es gibt
keinen zitierbaren Vergleich.
WDR: Fehlt er dem deutschen Kino?
Herzog: Nein, er fehlt dem Weltkino, auch ein  junger Orson Welles
und ein  junger Marlon Brando fehlen uns allen. Und Kinski fehlt uns
allen, nicht nur Deutschland.
WDR: Woran arbeiten Sie gerade?
Herzog: Ich bin bereits in den USA, am Schnitt zu einem neuen
Spielfilm, "Invincible", ohne Kinski leider. Im übrigen auch eine
Produktion, an der der WDR  beteiligt ist. Sie werden das sicher auch
in dieser Sendeanstalt zu sehen bekommen.
WDR: Herr Herzog, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Fragen an
Barbara Brückner, 
WDR-Pressestelle, 
Tel. 0221-220-4607

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