Die ewigen Widersprüchlichkeiten der Regulierung
Neuer Glücksspielstaatsvertrag
Bingen (ots)
Zum 1. Juli tritt der Glücksspielstaatsvertrag 2021 in Kraft - der Auftakt auch für eine neue intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Denn gerade die politische Diskussion über die Regulierung des Glücksspiels ist bisher von Widersprüchlichkeiten und Inkonsequenzen geprägt. Ein Beitrag von Dr. Daniel Henzgen, Mitglied der Geschäftsleitung des Glücksspielanbieters Löwen Entertainment.
Wenn es stimmt, dass wir aus einer Krise besonders gut lernen können, war das vergangene Jahr eine sehr harte Schule. Es stellte uns gesellschaftliche und moralische Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt: Welche Einschränkungen von Grundrechten sind unter welchen Voraussetzungen zumutbar? Was ist uns als Gesellschaft wichtig? Wo stehen Werte in Konflikt zueinander? Und wie werden diese Konflikte aufgelöst? Was muss verhandelt werden, und was ist nicht verhandelbar?
Diese Diskurse zu führen ist anstrengend. Es ist aber Aufgabe einer pluralistischen Gesellschaft und der Politik, die sie repräsentiert. Sowohl Politik als auch Bürger und Unternehmen müssen sich in diesem Aushandlungsprozess so stark wie vielleicht noch nie in der Geschichte dieses Landes auf die Bereitstellung wissenschaftlicher Erkenntnisse verlassen. Akzeptierte man zu Beginn der Pandemie noch sehr große Unsicherheiten, ist heute klar, dass viele als alternativlos verkaufte Gewissheiten in Wahrheit Werturteile über unterstellt unmündige und unvernünftige Bürger und Unternehmen waren. Nichts aber ist für den Zusammenhalt und die Zuversicht in der Bevölkerung gefährlicher als Ideologie, die als Wissenschaft verkauft wird.
Wir kennen dieses Phänomen der als Pseudo-Evidenz getarnten Verachtung für Spielgäste und Glücksspielanbieter in der Regulierungsdiskussion seit vielen Jahren. Hier bestimmen nach wie vor wissenschaftlich längst widerlegte Glaubenssätze das Handeln. Dass mehr Angebot zu mehr Problemen führt, ist zum Beispiel solch ein Dogma. Wir bei Löwen Entertainment haben hingegen seit Langem erkannt: Nur wer Probleme wissenschaftlich fundiert erklärt, kann sie auch gesellschaftlich verantwortlich lösen.
Von dieser Erkenntnis ist Politik - sowohl in der Pandemiebekämpfung als auch in der Glücksspielregulierung - in Teilen noch weit entfernt. Wissenschaft wird nur dann zitiert, wenn sie in das eigene Weltbild passt. So sind allein in Baden-Württemberg 8.000 Arbeitsplätze durch eine völlig realitätsferne, wissenschaftlich bewiesen sinnfreie regulatorische Abstandsvorgabe für Spielhallen, die mit Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags im Juli 2021 in Kraft treten soll, akut bedroht. Verbundspielhallen werden als gefährlich diffamiert und gleichzeitig Online-Casino-Angebote flächendeckend erlaubt. Selbst der staatliche Lottomonopolist will Online-Spielautomaten anbieten.
Diese realitätsverweigernde Haltung spiegelte sich auch in der irreführenden Debatte um die Systemrelevanz von Industrien in der Pandemie wider. Die Frage ist dabei nicht, was relevant ist, sondern, welches System die politischen Akteure in Wahrheit im Sinn haben. Denn tatsächlich ist in einer sozialen Marktwirtschaft alles, was am Markt besteht, relevant für das System; auch das Konzert, der Bowling-Abend oder der Besuch in der Spielhalle - es bedient eine Nachfrage und damit Bedürfnisse von Menschen.
Die kleinen menschlichen Alltagsfreuden zu negieren, für irrelevant oder minderwertig zu erklären und ihrer marktwirtschaftlichen Befriedigung prohibitiv zu begegnen, ist Ausdruck einer gefährlichen Ideologie. Denn sie konterkariert das eigene, offenbar nur vorgeschobene Ziel des Spielerschutzes. Millionen von Menschen konsumieren Glücksspiel. Schon immer. Die Versuche, mit Verboten dagegen anzugehen und legale qualitative Angebote zu marginalisieren, stärken immer nur den Schwarzmarkt und das illegale, unkontrollierte Spiel.
Die Folgen und Nebenwirkungen solcher Verbote sind spätestens seit der amerikanischen Prohibition bekannt. Wem das egal ist, der muss sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht nur nichts zu lernen, sondern nichts lernen zu wollen.
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