Handy unterm Weihnachtsbaum
SOS-Kinderdorf-Experte gibt Tipps zur Mediennutzung
München (ots)
Weihnachten steht vor der Tür - und viele Kinder wünschen sich erstmals Smartphones und Tablets. Gleichzeitig sind viele Eltern verunsichert: Was muss ich beachten, wenn junge Menschen sich online bewegen? Wie adressieren wir Risiken wie Cybermobbing, Mutproben, Fake News? Was sollten wir als Eltern kontrollieren, gar verbieten? Für Heico Michael Engelhardt, Leiter des SOS-Kinderdorfs Schleswig-Holstein und medienpädagogischer Experte, zählt die enge Begleitung des Kindes. "Vertrauen Sie Ihrem Kind - und lassen Sie es dennoch nicht allein. Gehen Sie gemeinsam den Weg in die digitale Medienwelt", empfiehlt der Beiratsvorsitzende der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK).
Herr Engelhardt, bald ist Weihnachten und Smartphones sind der Nummer 1-Weihnachtswunsch unter jungen Menschen. Ab welchem Alter können Eltern diesen Wunsch unbedenklich erfüllen?
Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Hier kommt es maßgeblich auf den individuellen Entwicklungsstand und die Reife des Kindes an. Der verantwortungsvolle Umgang mit einem Smartphone braucht gewisse emotionale, soziale und kognitive Voraussetzungen. Grob würde ich den Start in der weiterführende Schule als mögliche Einstiegsphase sehen. In jedem Fall sollten sich Eltern vorab einige kritische Fragen stellen: Ist mein Kind gut sozial in sein Umfeld integriert und sicher? Sind wir in einem vertrauensvollen Austausch miteinander? Kommt mein Kind zu mir bei angstauslösenden oder befremdlichen Situationen? Wie geht mein Kind mit Grenzsetzungen um?
Wenn Eltern entscheiden, ein Smartphone oder Tablet zu schenken, wie sollten sie dies vorbereiten, was muss vorher besprochen sein?
Vor der Anschaffung sollten zwei Dinge grundsätzlich geklärt sein:
Eltern und Kind sollten sich gemeinsam einigen, zu welchem Zweck das Gerät angeschafft wird: Darf gespielt werden, darf das Kind das Smartphone für soziale Kontakte nutzen oder geht es zunächst mal nur um Erreichbarkeit? Welche sozialen Netzwerke, welche Apps, sind erlaubt? So spart man sich reichlich Konfliktpotential.
Außerdem sollte man gemeinsam festlegen, wie, wann und wie lange das Gerät eingesetzt werden darf - und wie lange man es gemeinsam nutzt. Denn gerade anfangs ist es enorm wichtig, Kinder mit solchen Geräten nicht allein zu lassen. Aus meiner Sicht ist ein gemeinsam ausgehandelter Mediennutzungsvertrag zwischen Eltern und Kind sehr sinnvoll.
Gibt es technische Hilfen, die Eltern installieren sollten? Haben Sie Empfehlungen?
Der beste Kinder- und Jugendmedienschutz ist immer noch die Kompetenz des Menschen, der es nutzt. Meine Empfehlung an Eltern lautet: Vertrauen Sie Ihrer Erziehungskompetenz und Ihrem Kind und gehen Sie mit ihm gemeinsam den Weg in die digitale Welt. Kinderschutzeinstellungen, die es in Vielzahl gibt und die z.B. nicht erlaubte Käufe verhindern oder Nutzungen tracken, können dann als Ergänzung hilfreich sein. Aber es gilt in der Medienpädagogik: Erst das Vertrauen, dann die Kontrolle!
Australien hat soeben die Nutzung von Social Media für Jugendliche unter 16 Jahren gesetzlich verboten - was halten Sie von diesem Vorgehen? Ein Vorbild für Deutschland?
Natürlich ist es wichtig, dass ein Staat Schutzräume für Kinder und Jugendliche schafft und garantiert. Das in diesem Fall ausgesprochene Verbot wird den Schutz von jungen Menschen allerdings nicht wesentlich erhöhen. Denn es ist schwer umsetzbar. Es gibt schon jetzt eine Vielzahl technischer Systeme zur Altersverifikation, aber viele davon lassen sich leicht umgehen oder funktionieren unzuverlässig.
Grundsätzlich bin ich aus medienpädagogischer Sicht der Auffassung, dass Verbote unseren Kindern und Jugendlichen nicht nachhaltig helfen. Was hilft wirklich? Der Ausbau von medienpädagogischen Bildungsangeboten und Medienpädagogik als Schulfach. Und auch das hilft nur dann, wenn Eltern sich Zeit für das Thema nehmen, ihre Kinder mit digitalen Medien nicht allein lassen und gemeinsame Nutzungsregeln mit ihnen vereinbaren.
Wie kann man den Risiken von Social Media, Stichwort: Cybermobbing vorbeugen - auch ohne Verbote?
Die Nutzung digitaler Medien ist heute fester Bestandteil unseres privaten wie beruflichen Lebens. Also ist es wichtig, digitale Mediennutzung zu lernen. Dazu gehört für mich grundsätzlich die Erziehung von Kindern zu selbstbewussten, starken und sozialen Persönlichkeiten und die Vermittlung von technischen Kompetenzen. Nur wenn beide Komponenten gut ausgeprägt sind, wird sich ein Mensch langfristig gesund in den digitalen Medien bewegen können. Je stärker, kompetenter und sozial eingebunden das Kind vor dem Handy ist, desto besser wird es mit den Risiken von Social Media umgehen können.
Für Eltern heißt das: Je intensiver Sie Ihr Kind beim Start in die digitale Medienwelt unterstützen und begleiten, desto sicherer wird es sich zurechtfinden. Dann ist ein Handy zu Weihnachten auch ein freudebringendes und sinnvolles Geschenk für Ihr Kind!
Der SOS-Kinderdorf e.V.: SOS-Kinderdorf bietet Kindern in Not ein Zuhause und hilft dabei, die soziale Situation benachteiligter junger Menschen und Familien zu verbessern. In SOS-Kinderdörfern wachsen Kinder, deren leibliche Eltern sich aus verschiedenen Gründen nicht um sie kümmern können, in einem familiären Umfeld auf. Sie erhalten Schutz und Geborgenheit und damit das Rüstzeug für ein gelingendes Leben. Der SOS-Kinderdorfverein begleitet Mütter, Väter oder Familien und ihre Kinder von Anfang an in Mütter- und Familienzentren. Er bietet Frühförderung in seinen Kinder- und Begegnungseinrichtungen. Jugendlichen steht er zur Seite mit offenen Angeboten, bietet ihnen aber auch ein Zuhause in Jugendwohngemeinschaften sowie Perspektiven in berufsbildenden Einrichtungen. Ebenso gehören zum SOS-Kinderdorf e.V. die Dorfgemeinschaften für Menschen mit geistigen und seelischen Beeinträchtigungen. In Deutschland helfen in 39 Einrichtungen insgesamt rund 5.200 Mitarbeitende. Der Verein erreicht und unterstützt mit seinen 830 Angeboten gut 123.000 Menschen in erschwerten Lebenslagen in Deutschland. Darüber hinaus ist der deutsche SOS-Kinderdorfverein in 110 Ländern aktiv und finanziert 433 Standorte in 19 Fokusländern über Patenschaften und Unterhaltszahlungen.
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