Thomas Rother zu TOP 11: Antrag entlarvt Demokratieverständnis der AfD-Vertreter
Kiel (ots)
Es gilt das gesprochene Wort!
Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html
Die Initiative "Mehr Demokratie" hat uns Abgeordneten zu Beginn dieser Landtagswahlperiode eine Broschüre "Politik braucht Beteiligung!" und ein Büchlein mit dem Titel "Die unvollendete Demokratie" zugesandt. In der Broschüre wird darauf hingewiesen, dass es Verfechter der direkten Demokratie gibt, die diese als bessere Form der Demokratie begreifen. Diese behaupten, dass die direkte Demokratie über der parlamentarischen Demokratie stehe, welche von den so genannten "Altparteien" geprägt sei. Die parlamentarische Demokratie wird dadurch grundsätzlich in Frage gestellt. Dieses Demokratieverständnis proklamiert vor allem die AfD-Anhängerschaft.
Es entspricht aber nicht der Haltung vom "Mehr Demokratie", die repräsentative Demokratie in Frage zu stellen. Volksentscheide ergänzen und stärken die Demokratie, statt sie zu ersetzen. Das ist vollkommen richtig und genau aus diesen Gründen hat sich dieser Landtag für die Aufnahme von plebiszitären Elementen in die damals erstmals erarbeitete Landesverfassung, aber auch für die kommunale Ebene, entschieden. Damit wurde ein wichtiger Meilenstein für die Stärkung der Demokratie in unserem Land gesetzt und auch dem Vertrauensverlust in demokratische Institutionen in Folge der Barschel-Affäre entgegen gewirkt. Aber eben das genaue Gegenteil davon beschreibt die AfD in ihrem Grundsatzprogramm. Es geht ihnen um die Mäßigung des Parlaments, das mit unsinnigen Gesetzesvorlagen überflutet würde. Dabei waren sie zu dem Zeitpunkt der Formulierung doch noch gar nicht dabei! Für sie ist das zudem ein Vehikel, um der europäischen Integration entgegenzuwirken. Und genau das wollen wir nicht.
Unser Volksabstimmungsrecht wurde in der Vergangenheit weiterentwickelt. Die Hürden für Volksbegehren, Volksentscheid, Bürgerbegehren, Bürgerentscheid wurden immer wieder abgesenkt. Das zuletzt durch die Neufassung der Landesverfassung und die Änderungen im Kommunalrecht der vergangen Wahlperiode. "Mehr Demokratie" setzt uns damit auf Platz 3 ihres Länderrankings, schreibt der Landesregelung einen "Vorbildcharakter für andere, zögerliche Bundesländer" zu und bewertet die kommunale Regelung als "nun eine der besten in Deutschland". Daher gibt es keinen Anlass, das Thema aufzugreifen, zumal sich die Erfahrungen aus den letzten Gesetzesänderungen noch auf einer ziemlich dünnen empirischen Basis befinden. Bei diesen letzten Änderungen spielte die Frage der Anzahl der Stimmberechtigten, die innerhalb eines halben Jahres einem Volksbegehren zugestimmt haben müssen, ebenso wie dieser Zeitraum in dem dies zu erfolgen hat, keine Rolle. Letzteres greift die AfD auch gar nicht auf. Sie will jedoch die Reduzierung von 80.000 auf 50.000 Stimmberechtigte. Nun gibt es hier eine Vielfalt bei den Landesregelungen. Und es ist schon offenkundig, dass man sich bei der Bestimmung dieser Zahl eher von der Zahl an sich, für die dann eine Begründung gefunden wurde, hat bestimmen lassen als von einer schlüssigen Herleitung.
Des Weiteren soll die Untergrenze für das Zustimmungsquorum von den gerade von 25 auf 15 % abgesenkten Stimmberechtigten weiter auf 5 % sinken. Auch hier sind die Länderregelungen ganz unterschiedlich und reichen von Null bis 33 %. Es ist jedoch wichtig, dass qualitative Voraussetzungen für Volksabstimmungen erhalten bleiben. Dazu gehören auch die Quoren! Denn es muss sichergestellt bleiben, dass nicht eine interessierte und gut organisierte Minderheit über eine eher desinteressierte Mehrheit bestimmt. Das wird angesichts der sowieso schon geringeren Wahlbeteiligung in Wahlbezirken mit wirtschaftlich schwierigen Lebensbedingungen bei Volksabstimmungen noch offensichtlicher.
Nun könnte man sagen: selbst schuld! Geht doch abstimmen! Aber zu unseren Verfassungsgrundsätzen gehört die Gemeinwohlorientierung und eben nicht der Sozialdarwinismus. Und das ist gut, für repräsentative wie direkte Demokratie gleichermaßen. Und das rechtfertigt die Regelung in Bezug auf das Verfahren und die Untergrenzen. Sie ist ausgewogen und angemessen!
Dennoch sehe auch ich in diesem Politikfeld Handlungsbedarf. Wenn die AfD wirklich mehr Demokratie will, wie wäre es denn mit einer Initiative für das Ausländerwahlrecht. Da könnten ganz viele Menschen, die von der politischen Willensbildung ausgeschlossen sind, aber dennoch ihren Beitrag zum guten Leben in diesem Land leisten, endlich ihre demokratischen Rechte wahrnehmen können und die Anerkennung, die sie sich lange verdient haben, erhalten. Und liebe Jamaikaner: wie wäre es mit Volksabstimmungen auf Bundesebene? Ich meine dort haben wir wirklich Demokratiedefizite, aber gewiss nicht in unserer Landesverfassung.
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Pressesprecher: Heimo Zwischenberger (h.zwischenberger@spd.ltsh.de)
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