Europäischer Gerichtshof zu Abgasskandal: Thermofenster ist illegale Abschalteinrichtung
Autoindustrie droht Klagewelle
Berlin (ots)
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute, 17. Dezember 2020, über die Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen in Dieselmotoren entschieden. Das oberste Gericht der Europäischen Union mit Sitz in Luxemburg hat entschieden, dass Abschalteinrichtungen, die sich auf die Funktionsweise der Abgasreinigung auswirken, illegal sind. Mit diesem Urteil droht der Autoindustrie eine weitere Klagewelle im Abgasskandal, denn die Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters ist in Fahrzeugen mehrerer Hersteller zu finden.
Konkret ging es um ein Verfahren gegen die Volkswagen AG (Az. C-693/18). Das französische Gericht Tribunal de Grande Instance de Paris hatte den EuGH gebeten, zwei zentrale Fragen im Abgasskandal zu klären:
- Verstoßen temperaturabhängige Abschalteinrichtungen (Thermofenster), die die Abgasreinigung in Dieselmotoren im Normalbetrieb herunterfahren, gegen EU-Recht?
- Ist der Motorschutz eine ausreichende Begründung der Autohersteller für den Einsatz dieser Abschalteinrichtung?
Illegales Thermofenster ist nicht durch Motorschutz zu rechtfertigen
Die Richter am EuGH entschieden, dass eine Abschalteinrichtung nicht legal ist, wenn sie die Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand der Zulassungsbehörden vollumfänglich zulässt, im Straßenbetrieb jedoch drosselt. Diese Funktion verstoße gegen die Verordnung EG 715/2007 der Europäischen Union. Das Argument des Motorschutzes, das die Autoindustrie anführt, reiche nicht aus, um eine Abschalteinrichtung zu rechtfertigen, so die Richter.
Bereits im April 2020 hatte die Generalanwältin Eleanor Sharpston in ihren Schlussanträgen erklärt, dass Abschalteinrichtungen wie das Thermofenster unzulässig sind, wenn sich dadurch die Abgaswerte auf der Straße von denen auf dem Prüfstand unterscheiden. Genau das passiert beim Thermofenster, wie es in Fahrzeugen vieler Autohersteller - wie Volkswagen oder Daimler - verbaut ist.
Die EuGH-Richter folgten nun den Ausführungen der Generalanwältin und stärken damit Verbraucherrechte: "Die EuGH-Entscheidung versetzt der Autoindustrie einen schweren Schlag. Viele Verbraucher können und werden dieses Urteil für sich nutzen und ihr Recht auf Schadensersatz geltend machen. Das gilt sowohl für VW-Fahrer als auch für Halter von Mercedes-Fahrzeugen", sagt Johannes von Rüden, Rechtsanwalt und Partner der Verbraucherrechtskanzlei VON RUEDEN. "Dieses Urteil hat sogar noch mehr Strahlkraft als die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Mai 2020, das VW im Abgasskandal zu Schadensersatz verurteilt hat. Denn: Das EuGH-Urteil gilt für Verbraucher in der gesamten EU. Das Autoland Deutschland kann sich auf eine weitere, massive Klagewelle im Dieselskandal einstellen."
Mehr Dieselhalter können jetzt Schadensersatz einfordern
Mit diesem Urteil kann noch mehr Dieselfahrern zu ihrem Recht verholfen werden. Halter von Fahrzeugen mit nachgewiesenem Thermofenster können den Motorenhersteller nun auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verklagen. Denn: Fahrzeuge mit eingebauter Abschalteinrichtung erleiden einen massiven Wertverlust. Hinzu kommen drohende Fahrverbote in Städten, da die Dieselautos weit mehr umwelt- und gesundheitsschädliche Emissionen ausstoßen als gesetzlich zugelassen.
Die Verbraucherrechtskanzlei VON RUEDEN vertritt Dieselfahrer im Abgasskandal gegen die Autohersteller. Die Kanzlei mit Sitz in Berlin betreut bereits mehr als 12.000 Mandanten und führt im Dieselskandal Prozesse vor deutschen Land- und Oberlandesgerichten sowie vor dem Bundesgerichtshof.
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