BPI Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie
BPI zum ALBVVG-Regierungsentwurf: Problem erkannt - richtige Mittel verkannt
Berlin (ots)
"Es ist leider mehr Schein als Sein. Das "Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzes (ALBVVG)" verspricht in seinem Namen viel, doch von den geplanten Maßnahmen profitiert die Versorgung der Patientinnen und Patienten nicht ausreichend. Der Regierungsentwurf benennt die Probleme korrekt, zeugt aber erneut von Inkonsequenz", so bewertet der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI) den heute veröffentlichten Regierungsentwurf. "Das ALBVVG ist der politische Versuch, die Symptome eines kaputt gesparten Systems zu behandeln, ohne jedoch an der ursächlichen Wurzel von Fehlanreizen in der gesamten Grundversorgung anzusetzen", sagt BPI-Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen. "Der Effekt des Gesetzes bleibt gering, solang sich die geplanten Maßnahmen gerade einmal auf etwa ein bis zwei Prozent der Arzneimittel beziehen und gleichzeitig Rabattverträge, Preisobergrenzen und weitere Herstellerabschläge fortbestehen. So bleiben die dringend benötigten Effekte bei der Lieferengpassbekämpfung aus. Nachhaltige Versorgungssicherheit erreichen wir nur, wenn verschiedene ineinandergreifende Maßnahmen den Kostendruck in der gesamten Grundversorgung senken".
"Dafür müssen die gesetzlichen Maßnahmen im ALBVVG die gesamte Grundversorgung umfassen. Die Aufhebung der Festbeträge und Abschaffung von Rabattverträgen bei Kinderarzneimitteln sind wichtige Schritte. Diese Entlastungen braucht es auch bei allen anderen 98 Prozent der Arzneimittel, die lieferengpassgefährdet sind. Solang eine Standortförderung bei Rabattverträgen nur für Teilbereiche erfolgt, sind spürbare Verbesserungen in der Breite nicht zu erwarten. Über Rabattverträge werden mehr als die Hälfte der GKV-Versicherten versorgt. Eine Modifikation des bestehenden Systems ist daher dringend geboten", betont Joachimsen.
Dem "Wirtschaftlichkeitsgebot" zufolge hat jeder GKV-versicherte Patient einen gesetzlichen Anspruch auf eine adäquate und zeitgerechte Arzneimittelversorgung. Doch sofern ein Arzneimittel nicht lieferbar ist und Ausweichpräparate fehlen, verschlechtern sich die Heilungs- und Behandlungschancen des Patienten. Eine ausreichende Arzneimittelversorgung ist somit nicht mehr gewährleistet. Diese Gefahren sind mittlerweile leider real.
"Die Politik ist daher gefragt, Rabattverträge endlich so auszugestalten, dass das Risiko von Liefer- und Versorgungsengpässen so weit wie möglich minimiert wird. Mehrfach haben wir als BPI darauf hingewiesen, dass sich mehr Anbietervielfalt und Liefersicherheit nur erreichen lassen, wenn es unter anderem eine verpflichtende Mehrfachvergabe bei Rabattverträgen gibt. Ausschreibungen sollte es erst geben dürfen, wenn mindestens vier Anbieter im Markt sind, von denen mindestens drei Zuschläge erhalten und von denen mindestens einer maßgeblich in Europa produziert. Für versorgungskritische Arzneimittel darf es partout keine Rabattverträge geben. Andernfalls wird sich die Lage nicht entspannen", betont Joachimsen.
"Bevorratungs- und Meldepflichten sind hingegen kontraproduktiv und wirken wie ein Brandbeschleuniger. Sie führen zu noch mehr Kosten - verursachen Bürokratie und binden Ressourcen. In versorgungskritischen Situationen, ist jedoch ein schnelles und abgestimmtes Handeln erforderlich. Vielmehr sollte das bereits bestehende BfArM-Frühwarnsystem zu einer konstruktiven Plattform zur Lösung bestehender und drohender Lieferengpässe im Sinne der Versorgungssicherheit ausgestaltet werden", sagt Joachimsen.
"Was wir derzeit erleben, ist ein gestörtes System: Wenn eine Tagestherapie im Durchschnitt gerade einmal sechs Cent erlöst, Preise auf dem Stand von 2009 eingefroren sind und Kosten für Energie, Rohstoffe und Vorprodukten explodieren, dann schaffen es gerade standortorientierte und mittelständische Hersteller nicht mehr, sich durch das Dickicht von Preiszwängen hindurchzuschlagen. Mehr als 90 Prozent der pharmazeutischen Unternehmen in Deutschland sind mittelständisch geprägt. Raus kommen wir da also nur, wenn wir Grundlegendes ändern: Der Kostendruck bei den heimischen Herstellern muss sinken - jetzt und in der breiten Grundversorgung", betont Joachimsen.
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