Einfluss der Autolobby auf die Bundesregierung: Rösler verweigert Akteneinsicht vor der Bundestagswahl
Berlin (ots)
Deutsche Umwelthilfe hatte vor dem Europäischen Gerichtshof Akteneinsicht zum Zustandekommen der Pkw-Energiekennzeichnung erstritten - Trotz eindeutiger Rechtslage und Aufforderung durch des Verwaltungsgericht Berlin verweigert das Bundeswirtschaftsministerium Akteneinsicht vor dem 22. September
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) will offenbar verhindern, dass die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) vor der Bundestagswahl am 22. September Einsicht in interne Akten erhält, die die enge Abstimmung einer gesetzlichen Regelung seines Amtsvorgängers Rainer Brüderle (FDP) mit der Automobilindustrie dokumentieren. Der Europäische Gerichtshof hatte den Rechtsanspruch der DUH auf Einsicht in die Akten zum Zustandekommen der umstrittenen Rechtsverordnung zur Pkw-Energieverbrauchskennzeichnung am 18. Juli 2013 bestätigt. Daraufhin hatte das Verwaltungsgericht Berlin das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) aufgefordert, bis vergangenen Freitag entweder die Akteneinsicht nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) zu gewähren oder aber detailliert darzulegen, warum dies nicht geschehe. Das BMWi hat nun mitgeteilt, dass es eine Akteneinsicht vor der Bundestagswahl nicht gewähren wolle. Weitere Prüfungen seien erforderlich, eine Stellungnahme könne erst in drei Wochen - und damit nach der Bundestagswahl - erfolgen.
"Philipp Rösler brüskiert mit seiner Weigerung das höchste europäische Gericht, um die Kumpanei seines Amtsvorgängers Rainer Brüderle mit den Autoherstellern gegen die Interessen von Verbrauchern und Klimaschutz nicht vor der Bundestagswahl offenbaren zu müssen", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Ganz offensichtlich herrscht Panik bei der FDP: Die Akten enthalten offenbar kompromittierende Informationen über die Automobilbauer-Kontakte des Wirtschaftsministeriums. Vermutlich geben sie einen Einblick, wie die Autoindustrie Verordnungen, die sie betreffen, beeinflusst. Wir fordern von Herrn Rösler die Veröffentlichung vor dem 22. September."
Die Ausgestaltung der Rechtsverordnung zur Energieverbrauchskennzeichnung von Pkw hatte 2010 bundesweit Kopfschütteln ausgelöst, weil auf ihrer Grundlage schwere spritdurstige Limousinen wie der Audi Q7 in eine bessere Effizienzklasse eingestuft wurden als Kleinwagen wie der Smart oder der Fiat Panda. Dafür sorgte eine spezielle, auf das Fahrzeuggewicht bezogene Systematik bei der Einteilung der Effizienzklassen, die schwere Fahrzeuge massiv bevorzugt und auf die sich der damalige Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle nach eigenen Angaben vorab mit den deutschen Automobilherstellern verständigt hatte. Die DUH verlangte Einsicht in die Akten des BMWi, die Aufschluss über die internen Absprachen mit der Autolobby geben können.
Das Verwaltungsgericht Berlin hatte unter Verweis auf die nach dem EuGH-Urteil vom Juli dieses Jahres veränderte Rechtslage das Ministerium aufgefordert, diesem nachzukommen - oder andernfalls detailliert darzulegen, warum das Ministerium sich weiterhin gegen die Einsicht in die Akten wehre. Das BMWi teilte nun mit, dass man für eine Stellungnahme Zeit bis zum 25. September 2013 benötige. Es seien weitere Ressortabstimmungen mit den Ministerien für Umwelt und Justiz erforderlich, insbesondere hinsichtlich der Auslegung des EuGH-Urteils sowie "weiterer einschlägiger Ausschlussgründe", so das Schreiben. Nach Überzeugung der DUH geht es dem BMWi nun vorrangig darum, die Akten bis zum Wahltermin unter Verschluss zu halten und innerhalb der erbetenen Drei-Wochen-Frist weitere Möglichkeiten zur Nicht-Herausgabe juristisch zu prüfen - vermutlich wieder gemeinsam mit den seinerzeit beteiligten Autoherstellern.
Nach dem EuGH-Urteil ist eine Änderung des deutschen Umweltinformationsgesetzes erforderlich, dessen Umsetzung das zuständige Bundesumweltministerium (BMU) bereits unmittelbar nach dem EuGH-Urteil angekündigt hat. Das BMU teilte weiter mit, man werde ab sofort die europarechtswidrige alte Regelung, die die Akteneinsicht beschränkte, nicht mehr anwenden. Das Bundeswirtschaftsministerium sieht das ganz offensichtlich anders - zumindest bis zum Termin der Bundestagswahl.
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