Achtung, resistent: Deutsche Umwelthilfe und Germanwatch fordern Bundeslandwirtschaftsministerium auf, missbräuchlichen Antibiotikaeinsatz in industrieller Tierhaltung zu stoppen
Berlin (ots)
- DUH und Germanwatch kritisieren aktuelles Tierarzneimittelgesetz und Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie als unzureichend und ungeeignet
- Bundeslandwirtschaftsministerium ignoriert systematisch Rolle der industriellen Tierhaltung als Ursache für die Entstehung antibiotikaresistenter Keime
- DUH und Germanwatch fordern Verbot wichtiger Reserveantibiotika in der Tierhaltung, strengere Richtlinien und Kontrollen beim Einsatz
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und Germanwatch kritisieren das aktuelle Tierarzneimittelgesetz und das vorliegende Papier für eine Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie (DART) 2030 als unzureichend und ungeeignet, um den missbräuchlich hohen Antibiotikaeinsatz in der industriellen Massentierhaltung zu reduzieren. Trotz zahlreicher Warnungen und Forderungen der Bundesärztekammer und von Verbraucher- und Umweltschutzverbänden, spielt das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) die Rolle der industrialisierten Tierhaltung weiter systematisch herunter. Denn obwohl durch jeden Antibiotikaeinsatz das Risiko für antibiotikaresistente Krankheitserreger steigt, kommen noch immer für den Menschen wichtige Reserveantibiotika wie beispielsweise Colistin in der Hähnchen- und Putenmast zum Einsatz. Gemeinsam fordern DUH und Germanwatch deshalb ein Verbot der Reserveantibiotika als Herdenbehandlung in der industriellen Tierhaltung, strengere Richtlinien für den Einsatz von Medikamenten und stärkere Kontrollen bei der Erfassung.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, kommentiert: "Der aktuellen Antibiotika-Resistenzstrategie für 2030 mangelt es an allem, insbesondere an konkreten Zielen und Maßnahmen. Statt endlich selbst aktiv zu werden, wälzen Cem Özdemir und Karl Lauterbach die Verantwortung für den Einsatz von Antibiotika in der industriellen Massentierhaltung mal wieder auf die Einzelbetriebe ab. Dabei hat die Vergangenheit gezeigt, dass diese gar nicht in der Lage sind, Produktionsstandards in der Fleischindustrie zu verbessern. Über 40 Prozent aller Antibiotika in den Trögen von Hähnchen und Puten bestehen aus den wichtigsten Reserveantibiotika der Humanmedizin. Dieser missbräuchliche Einsatz muss endlich ein Ende haben. Wir fordern die Bundesminister Özdemir und Lauterbach auf: Hören Sie auf, die Missstände beim Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung zu übertünchen und stellen Sie die Gesundheit der Menschen endlich an die erste Stelle."
Um den Einsatz von Antibiotika im Stall zu reduzieren, setzt das BMEL noch immer auf die Erfassung. Dabei droht die Erfassung extrem lückenhaft zu bleiben. Nicht berücksichtigt werden die Antibiotika, die in Elterntierfarmen zum Einsatz kommen, Antibiotika-Abgabemengen an Futtermittelkonzerne oder Importe aus Nachbarländern. Diese Lücken tragen dazu bei, dass Antibiotika auf dem Papier verschwinden, obwohl sie in deutschen Tierfabriken landen.
Dazu Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch: "Reserveantibiotika sind der letzte Notnagel gegen Bakterien, die gegen Standardantibiotika resistent sind. Deutschland aber setzt immer noch Reserveantibiotika in hohen Mengen in der industriellen Tierhaltung ein. Europaweit gibt es hingegen schon neun Staaten, die weiter sind und zum Beispiel auf den Einsatz von Colistin verzichten. Speziell bei diesem Wirkstoff liegt Deutschland noch immer oberhalb des 2015 von der Europäischen Arzneimittelagentur empfohlenen Grenzwerts. Wir fordern die Bundesregierung auf, das Tierarzneimittelgesetz so auszugestalten, dass dem Einsatz von Reserveantibiotika ein Riegel vorgeschoben wird."
Schon heute stammen 19 Prozent der zunehmenden Multiresistenzen beim Menschen von Lebensmitteln, vor allem von tierischen Lebensmitteln. Im europäischen Vergleich zählt die Tierhaltung in Deutschland mit 73 Milligramm Antibiotika pro Kilogramm Tier zu den Hochverbrauch-Ländern. Zum Vergleich: In Dänemark kommen lediglich 33 Milligramm Antibiotika pro Kilogramm Tier zum Einsatz, in Schweden sind es sogar nur 11 Milligramm.
Hintergrund:
Im Rahmen der geltenden Gesetze dürfen bis zu 23 Hähnchen auf einem Quadratmeter Fläche und in Ställen mit 80.000 Tieren und mehr gehalten werden. Erkranken Masthühner in diesen industriellen Mastanlagen an einer Infektion, erhalten auch alle gesunden Tiere im Stall Antibiotika über das Trinkwasser. So können Antibiotikaresistenzen leicht entstehen, sich ausbreiten und die Gesundheit von Mensch und Tier gefährden. Laut staatlichen Untersuchungen ist rund jede zweite Geflügelfleischprobe in deutschen Supermärkten mit antibiotikaresistenten Keimen kontaminiert.
Link:
Die gemeinsame Stellungnahme zur Strategie des Bundeslandwirtschafts- und Bundesgesundheitsministeriums finden Sie hier: https://l.duh.de/p221123b
Pressekontakt:
Sascha Müller-Kraenner, DUH-Bundesgeschäftsführer
0160 90354509, mueller-kraenner@duh.de
Stefan Küper, Pressesprecher Germanwatch
0151 252 110 72, presse@germanwatch.org
DUH-Newsroom:
030 2400867-20, presse@duh.de
www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe, www.facebook.com/umwelthilfe, www.instagram.com/umwelthilfe, www.linkedin.com/company/umwelthilfe
Original content of: Deutsche Umwelthilfe e.V., transmitted by news aktuell