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„Autos, die die Welt nicht braucht“
Autohersteller ignorieren Zeichen der Zeit

Nach dem Hurrikan Katrina fordert die Deutsche Umwelthilfe die
sofortige Rücknahme der Klage deutscher Autohersteller gegen
kalifornisches Klimaschutzgesetz – Immer mehr Autos aus heimischer
Produktion verstoßen gegen Umweltschutzvorschriften der USA, von
Japan und China
Berlin, 8. September 2005: Wenige Tage vor der Internationalen
Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt/M. hat die Deutsche
Umwelthilfe e.V. (DUH) die Autoindustrie zu einem „radikalen
Strategiewechsel“ aufgefordert. Angesichts des immer offensichtlicher
wirkenden Klimawandels und der verheerenden Folgen des Wirbelsturms
Katrina im Süden der USA müssten die deutschen Hersteller „in einer
konzertierten Aktion alle entwicklungstechnischen Anstrengungen ihrer
Ingenieure auf die Entwicklung spritsparender und sauberer Antriebe
lenken“, sagte DUH Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
Die Vorstände von DaimlerChrysler, Volkswagen, Porsche und BMW
forderte Resch auf, ihre vor einem kalifornischen Gericht anhängige
Klage gegen das Klimaschutzgesetz von Gouverneur Arnold
Schwarzenegger zurückzuziehen. Resch: „Der Skandal dieser Klage muss
im Schatten der Katastrophe sofort, demonstrativ und mit dem Ausdruck
des Bedauerns beendet werden. Es kann nicht sein, dass die
Bundesregierung Pumpen und andere Hilfsgüter in die USA fliegen
lässt, während die Autohersteller vor dortigen Gerichten ungerührt
auf dem Verkauf ihrer benzinfressenden Klimakiller bestehen.
DaimlerChrysler, VW, Porsche und BMW blockieren seit Monaten ein
Klimaschutzgesetz, das in Kalifornien und sieben weiteren US-
Staaten ab dem 1. Januar 2006 den andauernden Aufwärtstrend bei
Spritverbrauch und Treibhausgasen brechen soll.“
Nach DUH-Recherchen plant die Automobilbranche ihren diesjährigen
Frankfurter Hauptgottesdienst so, als gebe es weder die monströsen
Verheerungen des Hurrikans Katrina noch die globale Spritpreiskrise
in seiner Folge. Unbeeindruckt soll die Glitzerschau wie jedes Jahr
mit einem Großaufgebot spritdurstiger und immer schnellerer
Limousinen über die Bühne gehen. Während der Benzinpreis nach
Berechnungen der DUH bis zum Jahresende auf ein neues Allzeithoch von
bis zu 1,80 Euro schnellen könnte, ignorieren die im Verband der
Deutschen Automobilindustrie (VDA) zusammengeschlossenen Hersteller –
einmal abgesehen von einzelnen Erdgasantrieben - die Entwicklung
Kraftstoff sparender und schadstoffarmer Fahrzeuge. Resch: „Nachdem
der Golf längst Spitzengeschwindigkeiten von 250 km/h erreicht, ist
das nun auch Ehrensache für den 1er-Baby-BMW. Das nenne ich
hochkultivierte Ignoranz. “
Schon auf der diesjährigen Umwelt-Auto-Liste des ökologisch
orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD) fand sich unter den Top
Ten mit dem Opel Corsa nur noch ein deutsches Fabrikat. „In
Deutschland werden immer mehr Autos gebaut und entwickelt, die die
Welt nicht braucht“, sagte Resch und stand mit dieser Analyse in
diesen Tagen keineswegs allein. Der Chef des UNO-Umweltprogramms
(UNEP) und frühere CDU-Umweltminister Klaus Töpfer beklagte den
Technologierückstand der deutschen Autobauer bei der Reduktion des
Spritverbrauchs ebenso wie der Präsident der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) Karl Ludwig Winnacker.
Bei der IAA werde fast schon demonstrativ deutlich, dass sich die
europäischen Autohersteller nicht mehr an die gegenüber der EU-
Kommission eingegangene Selbstverpflichtung aus dem Jahr 1999
gebunden fühlen. Zugesagt war, den durchschnittlichen CO2-Ausstoß
aller von europäischen Herstellern zugelassenen Pkw bis 2008 auf 140
Gramm pro Kilometer g/km abzusenken. Umgerechnet auf den
Benzinverbrauch ergäbe sich ein Wert von 5,8 l/100km. Tatsächlich
liege der aktuelle Verbrauch deutscher Neuwagen bei 178g/km bzw. 7,4
l/100km (Zahlen jeweils bezogen auf CO2-Gehalt von Benzin). Dabei
blieben Schönfärbereien der Autohersteller noch unberücksichtigt. So
werde der Verbrauch von Klimaanlagen, die mittlerweile in 80% aller
Neuwagen eingebaut sind, ebenso wenig berücksichtigt wie der
Mehrverbrauch durch modische Breitreifen. Der tatsächliche
Spritverbrauch liege mit etwa 190 - 195 g/km außer Sichtweite des für
2008 anvisierten Werts. Im Vorfeld der IAA an den VDA gerichtete
Anfragen der DUH, den Spritverbrauch der 77 Neuheiten der deutschen
Hersteller bekannt zu geben, blieben unbeantwortet.
Seit Jahren tragen deutsche Hersteller die Behauptung als Mantra
vor sich her, umweltfreundliche und kraftstoffsparende Fahrzeuge
würden vom Verbraucher nicht angenommen. Und seit Jahren beweisen die
japanischen Hersteller Toyota und Honda mit ihrer Hybridoffensive das
Gegenteil. Während Toyota bei der IAA seinen dritten Serien- Hybrid
vorstellt und sich über weiter steigende weltweite Nachfrage freuen
kann, ist der erste deutsche Serien-Hybrid immer noch in weiter
Ferne. Daran ändert auch die in diesen Tagen um BMW erweiterte
Allianz von DaimlerChrysler und GM zur „Entwicklung eines
Hybridantriebs“ wenig. „Der Entwicklungsvorsprung der Spritspar-
Technologie der Japaner beträgt zehn Jahre und ist nicht von heute
auf morgen aufzuholen “, so Resch. „Das ist umso ärgerlicher, als die
Technologie ursprünglich aus Deutschland stammt und maßgeblich von
Porsche und anderen entwickelt wurde. Es ist beschämend, dass
praktisch alle Innovationen im Automobilbau, die Pkw in den
vergangenen Jahren sparsamer und schadstoffärmer gemacht haben,
maßgeblich in Deutschland entwickelt wurden. Serienreif wurden sie
aber erst durch ausländischen Firmen wie Peugeot, Toyota oder Honda,
in der Regel gegen erbitterten Widerstand von Volkswagen,
DaimlerChrysler & Co.“
Um die Spritverbräuche im europäischen Maßstab zuverlässig zu
senken, will die DUH nun bei der EU-Kommission vorstellig werden und
die Umsetzung einer offiziellen Absichtserklärung vom 5. Februar 1999
einfordern. Die Brüsseler Kommission hatte damals für den Fall des
Scheiterns der Selbstverpflichtung der im europäischen
Automobilherstellerverband (ACEA) zusammengeschlossenen Unternehmen
angekündigt: „Die Kommission beabsichtigt, einen Rechtsetzungs-
vorschlag über CO2-Emissionen von Personenkraftwagen
vorzulegen, falls der ACEA das in seiner Selbstverpflichtung
festgelegte CO2-Emissionsziel für 2008 nicht einhält oder keine
hinreichenden Fortschritte bei der Annäherung an dieses Ziel
erzielt…“. Dieser Fall ist inzwischen Realität.
Die Deutsche Umwelthilfe fordert angesichts der galoppierender
Spritpreise und der unübersehbaren Hinweise auf eine heraufziehende
Kraftstoffverknappung die schnelle Festlegung verbindlicher
Höchstverbrauchsgrenzen. Sie sollen ab 2008 für alle neu zugelassenen
Pkw und leichten Nutzfahrzeuge gelten und EU-weit die gescheiterte
Selbstverpflichtung der europäischen Autohersteller ablösen.
Fahrzeuge, die die Höchstwerte einhalten, würden das Weltklima ebenso
wie den Geldbeutel der Autofahrer schonen. „Feste Höchstverbräuche
sind aktuell ein Gebot der Ökologie, mittel- und langfristig sind sie
auch eine Versicherung gegen massive Absatzeinbrüche deutscher Pkw
auf den wichtigsten Zukunftsmärkten“, so Resch.
Die DUH erwartet eine für die deutschen Hersteller bedrohliche,
aber für das Weltklima erfreuliche Entwicklung. Immer mehr Länder
sorgten sich nämlich um ihre unter galoppierenden Ölpreisen leidenden
Handelsbilanzen, die Luftverschmutzung, den zunehmenden
Naturverbrauch und die Klimabelastung durch den Straßenverkehr.
Deshalb setzten sie sich mit gesetzlichen Regelungen gegen die
Überschwemmung ihrer Automobilmärkte mit schmutzigen, ungefilterten
Diesel-Pkw und übermotorisierter Edel-Jeeps (Sport Utility Vehicles,
SUV) zur Wehr.
· In Frankreich, wo im letzten Sommer eine geplante
  Strafsteuer gegen durstige Luxusfahrzeuge beschlossen wurde, die
  Einführung aber nach einer massiven Intervention der deutschen
  Automobilindustrie herausgezögert wurde.
· In Kalifornien, wo Gouverneur Arnold Schwarzenegger
  die Autoherstellermit seinem Klimaschutzgesetz zur Absenkung
  ihrer Schadstofffrachten und Spritverbräuche zwingen will
· In China, wo seit dem 1. Juli 2005 ein Gesetz gilt, das den
  Höchstverbrauch von Pkw-Neuwagen absolut begrenzt und das 2008
  noch einmal verschärft wird.
· In Japan, wo eine ähnliche Höchstverbrauchs-Regelung im
  Jahr 2010 in Kraft tritt.
Damit drohen gerade bei deutschen Edel-Pkw mit vergleichsweise hohen
Spritverbräuchen erhebliche Absatzeinbrüche in zentralen
Zukunftsmärkten. Erste Warnsignale gibt es bereits: Hochpreisige
Neufahrzeuge deutscher Autohersteller können in China wegen zu hohen
Spritverbrauchs bereits heute nicht mehr verkauft werden (BMW M3
Coupe + Cabriolet, M5 + M6 SMG, Mercedes G 320 + 500, Porsche Cayenne
S, VW-Bugatti Veyron, VW Bentley Continental sowie der Volkswagen
Phaeton W 12). Mitte 2008 werden die Grenzwerte in China um
durchschnittlich rund 10% verschärft, dann werden auch zahlreiche
Mittelklasse-Pkw im Reich der Mitte unverkäuflich sein – sofern nicht
sehr schnell die Verbräuche abgesenkt werden.
Für deutsche Diesel-Pkw gelten Verkaufsbeschränkungen im
amerikanischen und in mehreren asiatischen Märkten. Wegen zu hoher
NOx- und Rußpartikelemissionen sind Diesel-Pkws ausgesperrt. Resch
zeigte sich besorgt, dass wegen der hohen Spritpreise weiterhin in
großer Zahl Diesel-Fahrzeuge ohne vollwertigen Partikelfilter
zugelassen würden. Schon zurzeit sei fast jeder zweite neue Pkw ein
Diesel. Gleichzeitig setzten einige Hersteller während der Feinstaub-
Debatte im Frühjahr gemachte Zusagen nur zögerlich oder gar nicht um.
In einigen Fällen würden die Kunden massiv getäuscht. So wolle
DaimlerChrysler entgegen der Zusage seines Noch-Konzernchefs Jürgen
Schrempp bei der diesjährigen Hauptversammlung am 6. April den Smart
nun doch weiter ohne vollwertigen Rußfilter vertreiben. Als erster
Serien-Diesel-Pkw der Welt soll der vorrangig in den hochbelasteten
Ballungszentren eingesetzte Stadtwagen nur einen „ungeregelten
Filter“ erhalten, der ansonsten nur in Altfahrzeugen zum Einsatz
kommt. Auch Volkswagen verweigert seinen Massenmodellen Golf, Bora,
Touran, New Beetle, Polo und Fox den Vollfilter.
Völlig unverständlich sind schließlich Pläne der Bushersteller
Mercedes-Benz und MAN, die nach Recherchen der DUH ab Oktober 2006
keine Partikelfilter mehr einsetzen wollen. Bisher statteten sie
immerhin die Hälfte ihrer für den ÖPNV produzierten Busse mit
Rußpartikelfiltern aus. In Zukunft wollen sie aus reinen
Kostengründen auf ein Billigsystem umsteigen, das die
Partikelemissionen auf das Fünffache ansteigen lässt.
Mit Blick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen warnte Resch
alle Parteien und die künftige Bundesregierung davor, den
Umweltschutz wegen aktueller Absatz- oder Kostenprobleme einzelner
Hersteller hintanzustellen. „Jeder Ökorabatt jetzt führt unweigerlich
zu Absatzeinbrüchen auf den Märkten der Zukunft“, sagte Resch. Toyota
fahre nicht zuletzt wegen seines Vorsprungs in der Hybrid-Technik
Sonderschichten, während VW die Streichung von 10.000 und mehr
Stellen ankündigt (s. FAZ von heute, GR). Die Politik dürfe die
„strategische Kurzsichtigkeit“, die die Autohersteller mit ihrem
Widerstand gegen den Partikelfilter bewiesen hätten, nicht
übernehmen.
Für Rückfragen:
Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), Fritz-Reichle-Ring 4, 
78315 Radolfzell, Tel.: 0171/ 3649170, E-Mail:  resch@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 
10178 Berlin, Tel.: 030/ 25 89 86-15, mobil 0171/ 56 60 577, E-Mail:  
rosenkranz@duh.de

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