Verbraucherinformationsgesetz: Umwelthilfe fordert Transparenz statt Geheimnistuerei
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Berlin (ots)
Bundesrat soll VIG nicht als "verbraucherrechtlichen Torso" verabschieden sondern an moderne Verbraucherschutzstandards im Ausland anpassen - Informationsfreiheitsbeauftragte von Bund und Ländern beklagen "unzureichende Transparenzregeln" im Seehofer-Entwurf - Neuregelung muss weitere Lebensmittelskandale verhindern
Nach dem jüngsten bundesweiten Gammelfleischskandal hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) den Bundesrat aufgerufen, das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) an diesem Freitag (22. September) in der Länderkammer zu stoppen und seine grundlegende Überarbeitung zu verlangen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Erfahrungen gebe es dafür sowohl in der Bevölkerung als auch unter den Experten eine klare Mehrheit. Bei gutem Willen der beteiligten Politiker in Bund und Ländern könne "aus einem verbraucherrechtlichen Torso binnen weniger Wochen ein Transparenzgesetz entwickelt werden, das internationalen Standards genügt", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Er wies darauf hin, dass das VIG in der bisherigen Form nicht geeignet sei, den nächsten Lebensmittelskandal zu verhindern und sein erklärtes Ziel verfehle, für mehr Transparenz in der Wirtschaft zu sorgen.
"Der eben erst aufgedeckte Kühlhausskandal hat bei verantwortlichen Politikern in Bund und Ländern bisher leider nicht zu mehr Nachdenklichkeit geführt, sondern zu mehr Nebelwerferei", monierte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Es grenzt an Volksverdummung, wenn Verbraucherschutzminister Horst Seehofer und einige seiner Länderkollegen behaupten, mit dem im Bundestag verabschiedeten VIG werde alles besser." Das habe im Übrigen auch die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad (SPD) erkannt, die dem Seehofer-Gesetz am Montag "gravierende Mängel" attestierte. Außerdem habe die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern erfreulicherweise - allerdings nur unterstützt vom Land Berlin - im Bundesrat Vorschläge für eine deutliche Verbesserung des zur Verabschiedung stehenden VIG vorgelegt. Resch erklärte, dass sich "Sinn und Unsinn dieses Gesetzes daran entscheidet, ob bei künftigen kriminellen Verstößen gegen die Schutzbestimmungen des Verbraucherrechts regelmäßig Ross und Reiter genannt werden." Gerade an diesem entscheidenden Punkt bringe das vor der Sommerpause im Bundestag verabschiedete VIG jedoch keinen erkennbaren Fortschritt.
In Richtung Lebensmittelwirtschaft sagte der DUH-Geschäftsführer, er wundere sich über deren defensive Haltung zum VIG. "Die schwarzen Schafe schädigen mit jedem aufgedeckten Lebensmittelskandal immer aufs Neue ganze Branchen und treiben ehrbare Unternehmen an den Rand des Ruins. Gleichzeitig fordern die einschlägigen Wirtschaftsverbände, am besten ganz auf das VIG und mehr Transparenz zu verzichten. Das verstehe wer will". Unter Hinweis auf wirksame Informationsgesetze in den USA, in Großbritannien und Dänemark, wo zum Beispiel die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen regelmäßig und für jedermann zugänglich veröffentlicht werden, verlangte Resch, Verbraucherpolitiker müssten in Deutschland "die weltbesten Standards eines modernen Verbraucherschutzes anstreben, statt Abwehrkämpfe gegen demokratische Informationsansprüche der Konsumenten zu führen. Vorbild sollte dabei auch Südafrika sein, wo Informationsansprüche ausdrücklich auch gegenüber privaten Wirtschaftsunternehmen vorgesehen sind."
Nach Überzeugung der DUH muss den Behörden in dem VIG - entgegen der bisherigen Absicht - ausdrücklich eine aktive Informations- und Warnpflicht aufgegeben werden. Im Prinzip müssten die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen - positive wie negative - zeitnah und regelmäßig zum Beispiel im Internet veröffentlicht werden. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern müsse auch gegenüber privaten Unternehmen ein Informationsanspruch eingeräumt werden unter Wahrung eines, freilich eng gefassten, Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Auch bei den Informationsansprüchen der Verbraucher gegenüber den Behörden "darf das Gesetz nicht mit Hilfe ausladender Ausnahmetatbestände faktisch zu einem Informationsverhinderungsgesetz verkommen", sagte Cornelia Ziehm, die Leiterin Verbraucherschutz und Recht bei der DUH. Nach dem bisherigen Wortlaut entscheiden die Unternehmen selbst, was ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis ist und das auch noch nachträglich, wenn sie von einer konkreten Bürgeranfrage Kenntnis erlangen. Begründen müssen sie ihre Einschätzung gegenüber niemandem. Schließlich dürfen sie auch Daten geheim halten, die sie selbst als "wettbewerbsrelevant" einstufen, damit wird einem Missbrauch quasi Tür und Tor geöffnet. Weil nach der VIG-Vorlage insbesondere dann keine Informationspflicht besteht, wenn bereits gegen ein Unternehmen ermittelt wird, fordert die DUH eine "Warnpflicht der Behörden über festgestellte Verstöße binnen 24 Stunden."
Ziehm erklärte, dass nach der Verbraucherkommission Baden-Württemberg (der so genannten Oettinger-Kommission), die den VIG-Entwurf vor der Verabschiedung im Bundestag passagenweise gleichlautend kritisiert hatte wie die DUH (s. DUH-PM vom 15. Mai 2006), auch andere Experten aus Bund und Ländern dem im Bundestag verabschiedeten VIG schlechte Noten erteilt haben. Auf ihrer Sitzung Ende Juni erklärten die Informationsfreiheitsbeauftragten des Bundes und der Länder der VIG-Entwurf schaffe "nur unzureichende Transparenzregelungen, die außerdem die Unternehmen nicht ausreichend zur Offenlegung der verbraucherschutzrelevanten Daten verpflichten." Für mehr Transparenz in der Wirtschaft müsse der Gesetzentwurf nachgebessert werden, verlangten die Experten aus Bund und Ländern, um im Anschluss die Kritik zu formulieren, die auch die DUH schon im Juni vorgetragen hatte.
Ziehm forderte die Bundesländer auf, nicht länger gegen ein modernes Verbraucherschutzrecht zu agieren: "Die unionsgeführten Länder müssen nicht einmal über ihren Schatten springen, sie müssen nur umsetzen, was sie vor vier Jahren als Opposition im Bundesrat gefordert haben," sagte Ziehm und erinnerte an einen Bundesratsbeschluss aus dem Mai 2002. Damals hatten die Unionsländer das von der damaligen Bundesregierung vorgelegte VIG mit der Begründung abgelehnt, es bleibe hinter seiner Zielsetzung zurück, dem Verbraucher zu mehr Information, Transparenz und Klarheit zu verhelfen. Der so genannte Künast-Entwurf hätte den Unternehmen allerdings mehr Offenheit abverlangt und ihnen erheblich weniger Möglichkeiten eingeräumt, angebliche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu verheimlichen, als der jetzt zur Debatte stehende Entwurf. Ziehm: "Der bayerische Verbraucherschutzminister Sinner hat den Beschluss der Länderkammer damals unterstützt. Jetzt hat sein Nachfolger, Werner Schnappauf, die seltene Gelegenheit die bayerische Position von damals mit Verspätung doch noch durchzusetzen - gegen Horst Seehofer. Gleiches gilt übrigens auch für den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck, der bei der Abstimmung am Freitag nun anscheinend mit den unionsregierten Ländern für ein unwirksames Gesetz stimmen will".
Für Rückfragen:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e. V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: Mobil.: 0171 3649170, Fax.: 030 258986-19, E-Mail: resch@duh.de
Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Verbraucherschutz und Recht, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 258986-0, 0160 5337376, E-Mail: ziehm@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Deutsche Umwelthilfe e. V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax.: 030 258986-19, Mobil: 0171 5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de
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