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EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen "Kettensägenaktionen" an der Elbe

Hannover (ots)

Die vom niedersächsischen Umweltminister
Hans-Heinrich Sander angeordnete und teilweise selbst durchgeführte 
Abholzung ufernaher Auwälder in den Elbtalauen verletzen europäisches
Naturschutzrecht - Verstoß gegen "Verpflichtung zur loyalen 
Zusammenarbeit" mit der Kommission - Deutsche Umwelthilfe fordert 
Rücktritt des Ministers
Die EU-Kommission hat nach intensiver Prüfung hart und 
unmissverständlich auf die "Kettensägenaktionen" in der Kernzone des 
Biosphärenreservats "Niedersächsische Elbtalaue" reagiert. Nach einer
Beschwerde der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) leitete die 
Kommission Ende März ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren 
(nach Artikel 226 EG-Vertrag) gegen Deutschland ein, das vor allem 
den niedersächsischen Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) in 
Bedrängnis bringt.
Der Minister hatte die Abholzaktionen in den Elbtalauen nicht nur 
angeordnet, sondern am 29. November vergangenen Jahres sogar 
eigenhändig mit der Kettensäge Hand an ufernahe Weiden in den durch 
internationales, europäisches und nationales  Naturschutzrecht 
besonders geschützten Elbtalauen gelegt. Später hatte Sander 
versucht, dies der empörten Öffentlichkeit als 
Hochwasserschutzmaßnahme zu verkaufen, ohne tragfähige Begründung und
ohne die europarechtlich vorgeschriebene fachliche Prüfung.
Ausgerechnet während der deutschen Ratspräsidentschaft eröffnet 
die EU-Kommission nun ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die 
Bundesrepublik Deutschland, die sich im Ausland immer noch gern als 
Vorreiter im Umwelt- und Naturschutz präsentiert. Schriftlich teilt 
die Kommission mit, dass die Abholzaktionen in der Elbtalaue mehrere 
europäische Naturschutzgesetze verletzt hätten. Besonders schwer 
wiegt der wahrscheinlich einmalige Vorwurf, Deutschland (bzw. 
Niedersachsen) habe im Rahmen der von der EU durchgeführten 
Untersuchung der Vorgänge gegen die "Verpflichtung zur loyalen 
Zusammenarbeit mit der Kommission gemäß Artikel 10 EG verstoßen".
"Ein Umweltminister, der mit der Kettensäge gegen die geschützte 
Natur vorgeht, der das Umweltrecht mit Füßen tritt und der 
Deutschland während der eigenen Ratspräsidentschaft in Europa 
blamiert, hat in diesem Amt nichts mehr zu suchen. Er muss sofort 
zurücktreten", verlangte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake heute
vor Journalisten in Hannover.
Den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) 
forderte Baake auf, umgehend einen unabhängigen Ermittler 
einzusetzen, um den schwerwiegenden Vorwurf der Behinderung der 
EU-Kommission bei der Untersuchung der Abholzaktionen aufzuklären. 
"Von Herrn Sander erwarten wir nichts mehr, außer seinen Rücktritt. 
Vom niedersächsischen Ministerpräsidenten erwarten wir, dass er dem 
Vorwurf der Illoyalität seiner Landesregierung gegenüber der 
EU-Kommission unverzüglich nachgeht, um Schaden von seinem Land und 
von der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden", so Baake.
"Die Vorschriften des Umwelt- und Naturschutzrechts sind auch dazu
gemacht, dass sie der qua Amt oberste Umweltschützer des Landes 
beachtet. Die Vorgänge in Niedersachsen zeugen von einem 
abenteuerlichen Rechts- und Amtsverständnis", sagte die Leiterin 
Verbraucherschutz und Recht bei der DUH, Cornelia Ziehm. Das habe 
jetzt auch die EU-Kommission mit erfreulicher Deutlichkeit bestätigt.
Besonders wichtig sei, dass die Kommission die Bundesregierung als 
ihre Ansprechpartnerin ausdrücklich auffordere, bis zum Abschluss der
Untersuchungen keine weiteren Baumfällungen in den geschützten 
Elbtalauen mehr zuzulassen. Die Entscheidung der EU-Kommission 
bedeute im Übrigen nicht, so Ziehm weiter, dass Naturschutzrecht über
Hochwasserschutz gestellt würde. Im Gegenteil. Denn die 
Kettensägenaktionen des Ministers dienten der medialen 
Selbstdarstellung, nicht jedoch dem Hochwasserschutz. Die DUH habe 
dem niedersächsischen Umweltministerium die entsprechenden 
wissenschaftlichen Fakten geliefert, bevor Sander dann zur Kettensäge
griff. Die Reaktion aus Hannover auf die DUH-Warnungen seien 
"Uneinsichtigkeit und Ignoranz" gewesen, wofür der Minister nun die 
Quittung aus Brüssel erhalte.
Frank Neuschulz, der an der Elbe lebende Leiter Naturschutz der 
DUH, nannte das Eingreifen der EU-Kommission ein "Hoffnungszeichen 
gegen den Elbe-Aktionismus Sanderscher Prägung". Die Entscheidung 
bedeute, dass in Niedersachsen endlich ein tatsächlich vorsorgender 
Hochwasser- und Auenschutz eingeleitet werden könne. "Umweltminister 
Sander kann sich nicht länger in populistischen Kettensägenaktionen 
ergehen und Niedersachsen sich nicht länger der überfälligen 
Schaffung von Überflutungsflächen an der Elbe verschließen". Die 
seien notwendig, um flaschenhalsähnlichen Engstellen zwischen den 
Deichen zu entschärfen. Der Wegfall der brachialen Abholzaktionen 
werde Niedersachsen auch zwingen, stattdessen im Hochwasserschutz die
bisher verweigerte Abstimmung mit anderen Elbanrainern zu suchen.

Pressekontakt:

Für Rückfragen:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Mobil.: 0151 55 01 69 43, E-Mail: baake@duh.de

Dr. Frank Neuschulz, Leiter Naturschutz, Gartenstraße 7,
29475 Gorleben; Mobil: 0160 8950556, Fax: 05882 220;
E-Mail: neuschulz@duh.de

Dr. Cornelia Ziehm, Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH),
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil: 0160 5337376,
E-Mail: ziehm@duh.de

Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Öffentlichkeitsarbeit, Hackescher
Markt 4, 10178 Berlin, 0171 5660577, Tel.: 030 258986-15, Fax: 030
258986-19, E-Mail: rosenkranz@duh.de

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