Börsen-Zeitung: Jenseits des Etatstreits, Marktkommentar von Christopher Kalbhenn
Frankfurt (ots)
Erleichtert haben die Marktteilnehmer auf den Kompromiss im US-Haushaltsstreit reagiert, mit dem das Erreichen der Schuldenobergrenze hinausgeschoben und somit auch das Risiko eines Zahlungsausfalls der Vereinigten Staaten bis auf weiteres reduziert worden ist. Allerdings hielten sich die Kursreaktionen in Grenzen, auch wenn der Dax am Freitag auf einem Rekord von 8865 Punkten schloss. Denn die Notierungen waren bereits vor der Einigung zwischen Demokraten und Republikanern deutlich gestiegen. Ein Grund dafür war, dass die Marktteilnehmer angesichts der potenziell desaströsen Konsequenzen eines Ausfalls und der durch den Shutdown bereits entstandenen Schäden darauf gesetzt hatten, dass es die Republikaner nicht zum Äußersten kommen lassen würden.
Liquidität der Haupttreiber
Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Die Entwicklung zeigt auch, dass der Aktienmarkt nur bis zu einem gewissen Grad vom Etatstreit getrieben wurde und wird und noch ganz andere Kräfte am Werk sind, die viel mächtiger sind. Tatsächlich ist durch den Budgetkompromiss nichts gewonnen worden, was per se höhere Aktienkurse rechtfertigen würde. Letztlich können das nur steigende Unternehmensgewinne und damit entsprechend höhere Spielräume für Dividendenausschüttungen sein. Die eigentlich treibende Kraft für den Anstieg des Dax und der US-Indizes auf neue Rekordhöhen ist vielmehr nach wie vor die hohe Liquidität.
Das Washingtoner Drama hat lediglich eine Zeit lang überdeckt, dass auch die Rally der zurückliegenden Wochen letztlich der ultralockeren Geldpolitik der amerikanischen Notenbank Fed zu verdanken ist. Nachdem die Ankündigung des Fed-Chairman Ben Bernanke vom Mai, dass die Zentralbank in absehbarer Zeit beginnen werde, ihre Anleihekäufe zu reduzieren, die Aktienmärkte verschreckt hatte, gelang der Durchbruch, als die Fed überraschend erklärte, dass das nicht so gemeint gewesen sei und das gefürchtete Tapering nicht so schnell einsetzen werde. Die US-Währungshüter werden die Märkte in den kommenden Monaten weiterhin im bisherigen Ausmaß mit Liquidität versorgen. Und die Tatsache, dass mit dem Washingtoner Kompromiss nur Zeit gewonnen worden ist und somit der Streit um die Schuldenobergrenze Anfang 2014 wieder für Verunsicherung sorgen wird, wird die Fed auch nicht gerade motivieren, ihre Anleihekäufe sehr schnell zu reduzieren.
Allerdings ist damit auch für die Aktienmärkte letzten Endes nicht mehr als ein wenig Zeit gewonnen worden. Denn der Ausstieg der Fed aus den außergewöhnlichen Hilfsmaßnahmen ist eben nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Der Zeitpunkt wird kommen, an dem die Aktienmärkte ohne künstliche Beatmung auskommen müssen. Als Problem kann sich dabei mittelfristig erweisen, dass die Kurse seit geraumer Zeit steigen, ohne dass die Gewinne der Unternehmen bzw. die Ergebniserwartungen des Markts mitziehen. Im Ergebnis bedeutet dies einen Anstieg der Bewertungen bzw. eine Verteuerung des Markts. Beispiel Dax: Der Index ist seit dem Jahresbeginn um 16,5% gestiegen, die Konsensprognose für den aggregierten Gewinn je Aktie der 30 in dem Index enthaltenen Unternehmen in diesem Jahr ist jedoch um etwas mehr als 4% gesunken. Dadurch ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der Konsensschätzungen für das Jahr 2013 von rund 11 auf knapp 13,5 geklettert.
Letztlich bedeutet dies, dass die Gewinne der deutschen Blue-Chip-Unternehmen bald auch tatsächlich einen Boden ausbilden und dann steigen müssen, wenn der Dax wie erhofft im kommenden Jahr deutlich über 9000 und eventuell auch bis zur Marke von 10000 Zählern steigen soll. Weiterhin stagnierende Unternehmensergebnisse und gleichzeitig anziehende Kurse werden in einem Umfeld, in dem die Notenbanken dem Exit aus ihren außergewöhnlichen Maßnahmen entgegenstreben, nur sehr begrenzt möglich sein.
Liegt der Markt richtig und legt der aggregierte Gewinn der Dax-Firmen wie erwartet im nächsten Jahr tatsächlich um 13% zu, stehen die Aussichten auf weitere Indexgewinne durchaus nicht schlecht; ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp 12 bewegt sich noch im moderaten Bereich. Allerdings ist ein prozentual zweistelliger Ergebnisanstieg auch eine anspruchsvolle Messlatte. Kurzum: Angesichts der nicht unbeträchtlichen weltwirtschaftlichen Risiken besteht auf der Unternehmensgewinnseite ein nicht zu unterschätzendes Enttäuschungspotenzial für den Aktienmarkt.
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