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Börsen-Zeitung: Kein Selbstbedienungsladen, Kommentar von Sabine Wadewitz

Frankfurt (ots)

Das Tauziehen um die Anerkennung des
umstrittenen internationalen Standards zur Bilanzierung von
Finanzinstrumenten nach IAS 39 ist in die heiße Phase gelangt. In
Kürze wird der für die Akzeptanz der International Accounting
Standards zuständige Regulierungsausschuss (ARC) bei der
EU-Kommission seine Entscheidung fällen – und hoffentlich für die
Übernahme von IAS 39 als Rechnungslegungsstandard für
kapitalmarktorientierte Konzerne plädieren.
Im Schlagabtausch lassen die Gegner von IAS 39 aus dem Bankenlager
nochmal kräftig die Muskeln spielen. Druck kommt vor allem aus
Frankreich und Deutschland. Aber auch Spanien, Italien und Belgien
sollen sich auf die Seite der Opponenten der Regelung in der jetzigen
Ausprägung geschlagen haben – was jedoch nicht für die notwendige
Dreiviertelmehrheit ausreicht.
Eine entscheidende Position kommt den deutschen Vertretern zu,
deren Urteil das Zünglein an der Waage sein dürfte. Die hiesige
Bankenlobby wettert zwar öffentlich heftig gegen IAS 39, vor allem um
den global denkenden IASB als Standard-Setter zu milden Gaben zu
bewegen. Wenn es zum Schwur kommt, ist aber nicht zu erwarten, dass
Deutschland tatsächlich für den europäischen Sonderweg plädiert –
denn die Folgen wären fatal.
Dass es bei IAS 39 noch zum guten Ende kommen wird, deuten jüngste
Äußerungen an, die erheblichen Druck aus der Debatte genommen haben.
So zeigt der IASB abermals Entgegenkommen und bietet die nochmalige
Überarbeitung des Standards an. Entscheidend war aber wohl die
Empfehlung des Baseler Ausschusses, wonach die kumulierten Erträge
und Verluste aus dem umstrittenen Hedge Accounting bei der Bestimmung
des regulatorisch vorgeschriebenen Eigenkapitals der Banken
unberücksichtigt bleiben sollten. Diese Sichtweise hat für spürbare
Entspannung gesorgt. Im Übrigen war die Phalanx der Banken von Beginn
an keineswegs lückenlos. Die großen Spieler in der Branche kommen
sehr wohl mit IAS 39 zurecht, und wenn HSBC als marktschwerste
europäische Bank den Standard anwenden will, ist auch dies ein
eindeutiges Signal.
Der europäische Sonderweg, das internationale System der IAS nicht
unmittelbar anzuwenden, sondern einen Anerkennungsmechanismus
dazwischenzuschalten, war von Beginn an umstritten. Für die erstrebte
Akzeptanz an den großen Börsenplätzen sind einheitliche Regeln
unerlässlich, „europäische IAS“ werden dort nicht goutiert. Wer auf
nationale Sonderinteressen eingeht, öffnet den Weg zu unendlichen
Begehrlichkeiten – denn auch Venture-Capital-Firmen und Versicherer
haben Wünsche. IAS aber kann kein Selbstbedienungsladen sein.
(Börsen-Zeitung, 11.6.2004)
ots-Originaltext: Börsen-Zeitung

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