Börsen-Zeitung: Schwerer Schlag für Siemens, Kommentar von Michael Flämig zum Wechsel von Siemens-Manager Lothar Pauly zur Deutschen Telekom
Frankfurt (ots)
Der freiwillige Weggang von Top-Führungskräften ist für jedes Unternehmen ein Verlust. Ein Nachfolger muss sich einarbeiten, das mittlere Management sucht neue Orientierung, und Ziele werden in Frage gestellt. Das kostet Zeit, Geld und Nerven. Diese Feststellungen gelten auch für den Wechsel von Siemens-Manager Lothar Pauly zur Deutschen Telekom. Doch der Münchner Konzern wird von der Entscheidung des Bereichschefs Communications, in den AG- Vorstand eines Global Player aufzusteigen, besonders hart getroffen.
Erstens stecken die Kommunikationsaktivitäten des Konzerns in einer tiefgreifenden Reorganisationsphase. Nach dem angekündigten Verkauf der Mobiltelefone gilt es, weitere Verlustbringer zu sanieren. Die Konzepte müssen in den nächsten Wochen auf dem Tisch liegen, damit die Belastungen im November in den ohnehin durch Sonderfaktoren beeinflussten Konzernabschluss 2004/05 (30. September) gepackt werden können. In einer solchen Phase ist ein Chefwechsel ein Desaster. Zwar übernimmt mit Thomas Ganswindt jener Manager aus dem Konzernvorstand das Ruder, der Com sowieso beaufsichtigte. Er kann jedoch den Bereichschef nicht aus dem Stand ersetzen.
Zweitens ist die Entscheidung Paulys für den seit Januar amtierenden Vorstandsvorsitzenden Klaus Kleinfeld nicht nur ein geschäftlicher, sondern auch ein persönlicher Schlag. Kleinfeld hatte den bodenständigen Manager in seine führende Position gehievt und ihm die aktuell schwierigste Aufgabe des Konzerns anvertraut. Dessen Weggang mag durch viele Vorteile bei T-Systems motiviert sein. Die Entscheidung ist aber auch eine Aussage über die Perspektiven seiner aktuellen Position. Wachstumserfolge hätte man in München nicht feiern können, denn dort ist Gesundschrumpfen angesagt.
Der Abgang Paulys ist ein weiterer Misserfolg im laufenden Jahr nach dem wertzerstörenden Verkaufsprozess für die Handys. Für Panik ist dennoch kein Grund. Die Pläne für den Umbau von Com sollten schon so weit gediehen sein, dass sie auch unter Ganswindt beschlossen und eventuell von einem späteren Nachfolger operativ umgesetzt werden können. Trotzdem gilt: Die Zeit wird immer knapper. Im Frühjahr 2007 müssen laut Vorgabe Kleinfelds auch die Kommunikationsaktivitäten die Renditeziele erreichen. Die nächsten 18 Monate werden spannend bei Siemens.
(Börsen-Zeitung, 3.9.2005)
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