Börsen-Zeitung: Ein schlaffer Testballon, Kommentar zur Absage der LSE auf den Übernahmevorschlag der Investmentbank Macquarie von Norbert Hellmann
Frankfurt (ots)
In der Londoner City zerbricht man sich den Kopf darüber, warum die australische Investmentbank Macquarie mit wachsweicher Andeutung eines möglichen Angebots für die London Stock Exchange (LSE) einen Preis von 580 Pence oder 1,48 Mrd. Pfund ventiliert. Eine Woche vor Ablauf ihrer regulatorischen Frist für eine verbindlichen Offerte gab Macquarie nun der LSE Gelegenheit, Hohn und Spott über sie auszugießen. Der börsenfremde Bieter habe nicht nur lächerliche Bewertungsvorstellungen, sondern auch strategisch keinen Plan im Sack, so die kaum verklausulierte Antwort.
Schlimmer noch für Macquarie, die Börsenreaktion scheint den Londonern Recht zu geben. Am Freitag schoss die Notierung bis auf 622 Pence. Wie soll Macquaries Offerte da den LSE-Aktionären das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen? Die einzig vernünftige Erklärung liegt darin, dass Macquarie der LSE-Aktie Gelegenheit geben wollte, sich von überzogenen Übernahmespekulationen zu befreien und auf ein fundamental angemesseneres Niveau zurückzukehren.
Der Testballon hat genau die gegenteilige Reaktion bewirkt. Nun schließen sich die Anleger erst recht der Sichtweise des LSE-Board an, dass die Aktie noch jede Menge Luft nach oben hat. Auf Basis einer strikten Fundamentalbewertung mag dies zwar nicht der Fall sein, vergleicht man jedoch das Kurs-Gewinn-Verhältnis der LSE mit dem ihrer europäischen Nachbarn Deutsche Börse und Euronext oder gar transatlantischen Börsenplätzen, liegt sie ungefähr gleichauf und wirkt deshalb nicht unbedingt zu teuer.
Man mag zwar argumentieren, dass die Konsolidierungsfantasie in der Börsenlandschaft die Bewertungen im Kollektiv überschießen ließ, doch gibt es derzeit nichts, was Macquarie in der Hand hätte, um diese Blase platzen zu lassen. Da die LSE-Aktionäre immer noch auf Vorstöße von Euronext oder gar einer New Yorker Börse zählen können, wirken die 580 Pence keineswegs wie eine letzte Chance auf Wertrealisierung.
Wahrscheinlich wird Macquarie kommende Woche dennoch bieten, aber dann in erster Linie, um sich einen Zeitgewinn zu verschaffen. Eine reale Chance, den soliden Aktionärskreis der LSE umzustimmen, hat sie aber wohl nur, wenn sie noch deutlich höher zu gehen bereit ist und die Hausse der Börsen-Aktien auch anderswo jäh erstirbt.
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