Rheinische Post: Und das nicht nur zur Weihnachtszeit
Düsseldorf (ots)
Von Horst Thoren
Nach heutigem Selbstverständnis darf man vom Gegenüber fast alles wissen wollen aber die Tabu-Frage "Woran glauben Sie eigentlich?" stößt an die Grenzen. Nicht nur der Auskunftswilligkeit. Sondern auch der Auskunftsfähigkeit. Wenn nicht auf verständnisloses Achselzucken. Zu Weihnachten sollte erlaubt sein, einmal nach der diesbezüglichen Befindlichkeit der Deutschen zu schauen. Viel Schatten kommt da zu Tage, aber auch Licht. Der getaufte Bundesbürger Ost wie West fühlt sich oft allein, hilflos, ist auf der Suche nach Geborgenheit, nach Werten. Die Glaubensfrage aber wird, wenn überhaupt, lapidar beantwortet. Mit der konfessionellen Chiffre: Man ist katholisch, evangelisch, oder nix mehr . . . Gelebt werden konkrete Sehnsüchte: Nach familiärem Zusammenhalt, nach Freunden, nach treuen Partnern und ehrlichen Mitmenschen. Das Gottesbild ist davon abgekoppelt und bleibt eher diffus. Glaube ist Privatsache und verlangt nicht nach einem öffentlichen Bekenntnis. Nur zu Weihnachten will jeder Zweite in die Kirche. Zum Papst gar (so lassen die Fernsehbilder vermuten) wollen alle. Wie passt all das zusammen? Benedikt XVI. zieht die Menschen in seinen Bann. Seine Anziehungskraft liegt zum großen Teil in seiner charismatischen Persönlichkeit begründet. Auch im hohen Amt und der Faszination von Ritualen einer in zweitausend Jahren gewachsenen Struktur. Die symbiotische Verbindung natürlicher und amtlicher Kompetenz ermöglicht Orientierung. Etwas, was dringend vermisst wird, in der wuseligen Beliebigkeit einer leichtgläubigen Multi-Kulti-Gesellschaft. Die Glaubwürdigkeit des Heiligen Vaters und die Weihnachtstradition haben eine ähnliche Wirkung: Sie locken mit Authentizität den Menschen aus seiner inneren Emigration. Und bieten so einen Ansatz zur Vermittlung wahrer Werte und wertvoller Wahrheit! Die Chancen, auf offene Ohren zu treffen, stehen gut! In unsicheren Zeiten, so vermelden die Meinungsforscher, suchen gerade junge Leute nach Beständigkeit. Sie beschäftigt die Frage, auf wessen Solidarität Verlass ist, wer Sicherheit und Geborgenheit geben kann. Auch der "globale" Mensch, in Internet und Billigflieger weltweit unterwegs, braucht sein Plätzchen, wo er daheim ist. Die Kirchen, von Haus aus Horte der Geborgenheit, sollten der Nachfrage mit Angeboten begegnen! Wenn sie die Herausforderung annehmen und sich weniger mit sich selbst und der aus Finanznot resultierenden Strukturdebatte beschäftigen können sie die Glaubensfrage seelsorgerisch beantworten: Gott ist stets bei Dir! Komm Du zu uns! Nicht nur zu Weihnachten. . .
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