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Außenpolitik nach Gefühlslage

Berlin (ots)

"In der Politik ist Sprache das eigentliche Handeln". Das hat Robert Habeck, einer der wenigen Intellektuellen in der Parteipolitik, mal in einem Buch über politische Sprache geschrieben. Gescheite Essays zu schreiben ist das eine. Nicht schlecht wäre es, solche Einsichten auch zu beherzigen. Vor allem, wenn es um Krieg geht. Und wenn man bald regieren will.

Die Ukraine ist Opfer einer russischen Aggression. Liegt es da nicht nahe, dem Opfer zur Hilfe zu eilen, die Lieferung von Verteidigungswaffen zu fordern, und den Schutz durch die Nato in Aussicht zu stellen? Dies ist, vor allem wenn man wie Habeck als behelmter, beeindruckter Zivilist an der Front in der Ostukraine ist, naheliegend. Aber es ist falsch. Und gefährlich. Aus drei Gründen.

Es gibt in Kriegen keinen Unterschied zwischen Defensiv- und Offensivwaffen. Auch der Krankenwagen, der verletzte Soldaten rettet, ist Teil militärischer Logistik und nötig für einsatzfähige Truppen.

Zweitens würden offizielle Waffenlieferungen aus Deutschland an die Ukraine, übrigens eines der großen Waffenexportländer, den Einfluss Berlins auf den Konflikt pulverisieren. Berlin sucht im Normandie-Format als Verhandler diplomatische Lösungen. Die Rolle als ehrlicher Makler ist perdu, wenn Berlin eine Konfliktpartei aufrüstet.

Drittens: Die Idee, Kiew in die Nato aufzunehmen, ist so klug wie ein Streichholz in ein Benzinlager zu werfen, um zu schauen was wohl passiert. Die Ukraine in der Nato könnte aus einem regionalen Konflikt mit niedriger Intensität einen ausgehärteten neuen Kalten Krieg oder noch Schlimmeres machen.

Auch mal unverbindlich über eine spätere Nato-Mitgliedschaft zu schwadronieren, wie Habeck es tut, ist töricht. Wenn Kiew nach Ende des Konfliktes prompt Nato-Mitglied wird, kann Moskau das als Aufforderung verstehen, den Konflikt endlos zu verlängern. Merkel hat aus guten Gründen viel getan, um die Versuche aus den USA, die Ukraine in die Nato aufzunehmen, auszubremsen.

Habecks nur halbherzig revidierte Botschaft taugt, um einen grünen Menschenrechtsmoralismus zu befeuern und als Signal, dass man irgendwie Gutes tun will. Außenpolitik nach Gefühlslage. Aber gut gemeint ist in der Außenpolitik oft ganz schlimm.

Die Botschaft aus der Ukraine sollte wohl lauten, dass die Grünen realpolitisch erwachsen geworden sind, regierungstauglich und nicht mehr oldschool pazifistisch sind. Das ist kläglich gescheitert. Realpolitik geht ganz anders. Außenpolitik ist kein geeignetes Gebiet für grüne Selbstfindungsübungen. Vielleicht doch lieber wieder Essays schreiben?

Pressekontakt:

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Franziska Schindler
meinung@taz.de

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