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Lausitzer Rundschau: Auseinandersetzung um das Gedenken an den 9. November 1938 Ein notwendiger Streit

Cottbus (ots)

Es ist auf den ersten Blick beschämend, dass sich
die Fraktionen des Bundestags jetzt nicht einigen können auf einen 
gemeinsamen Text, der mit dem 70. Jahrestag des 9. November 1938 
angemessen umgeht. Es ist andererseits aber durchaus nachvollziehbar,
dass eine ehrliche Auseinandersetzung mit diesem Kapitel deutscher 
Geschichte nicht all die Differenzen ausklammern kann, die es 
zwischen den unterschiedlichen politischen Lagern nach wie vor gibt. 
Insofern ist dieser Streit darüber allemal besser als eine plakative 
Gemeinsamkeit, die die wirklichen Kontroversen unter den Teppich 
kehrt. Der 9. November 1938, der wohl beschämendste Tag der jüngeren 
deutschen Geschichte überhaupt, taugt nicht für einen Rückblick, bei 
dem alle Kontroversen vergessen werden.
Es war der Tag der Wahrheit im Nazi-Deutschland, an dem der Vorhang 
aufging und für jeden, der hinsehen wollte, offenkundig wurde, dass 
die herrschende Verbrecherbande vor nichts zurückschreckt. Die kleine
Minderheit im Volke, die des jüdischen Glaubens wegen - übrigens 
nicht immer des eigenen, sondern oft dessen der Vorfahren - zu 
Rechtlosen erklärt worden war, wurde zum Ziel mörderischer 
Ausschreitungen, die erkennen ließen, dass ihr der große Völkermord 
folgen würde.
Weil dies so überaus sichtbar war, ist es ein Tag der Schande für 
die, die damals nicht ihre Stimme erhoben, und ein Tag der Scham für 
ihre Nachfahren. Auch wenn es keine deutsche Kollektivschuld gibt, so
entschied sich an diesem Tag doch die große Mehrheit für das 
Wegsehen. Damit aber umzugehen, war in West- wie in Ostdeutschland 
ein jahrzehntelanges Problem. Denn wer redet schon ehrlich und offen 
über solch eine Schande. Die deutsche Linke, die DDR, die deutsche 
Rechte, die Bundesrepublik - alle hatten und haben damit bis heute 
ihre Probleme.
Und es gibt tatsächlich auch daraus resultierend so etwas wie einen 
linken Antisemitismus, der sich als Israel-Kritik tarnt. Es gab die 
Exzesse des Judenhassers Stalin, die auch in der DDR ihren Widerhall 
fanden. Es gibt aber auch eine Nachkriegsgeschichte, in der die 
Gehilfen der Mörder und manchmal auch die Mörder selbst unter der CDU
in wichtigste Ämter aufstiegen. Über diese Fehler lohnt es sich 
durchaus zu streiten. Allerdings wird es dabei keine Sieger geben - 
nur die Trauer um all die unbegreifliche, unterschwellige Fortdauer 
des Hasses, den die Nazis gesät hatten. Und die Hoffnung, dass die 
nachkommenden Generationen der Deutschen sich endlich befreien davon 
- in ihrem Verhältnis zu den Juden hier und anderswo und in ihrem 
Verhältnis zu Israel.

Pressekontakt:

Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481231
Fax: 0355/481247
lr@lr-online.de

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