Lausitzer Rundschau: Der Anschlag von Grosny
Cottbus (ots)
Ausgerechnet auf einer Feier zum Gedenken an den Sieg der Sowjetarmee über Nazi-Deutschland ist der mörderische Konflikt im Kaukasus wieder ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit gerückt. Und doch wird dies eine Momentaufnahme bleiben, wird Tschetschenien schnell wieder aus den Schlagzeilen verschwinden. Der Feldzug des Kremls gegen das Volk der Tschetschenen wird wieder im Verborgenen stattfinden, so wie der Terror islamistischer Banden, die den Willen zur Unabhängigkeit gnadenlos für ihre Ziele missbrauchen. Während die ganze Welt über jedes Detail der amerikanischen Besatzung im Irak informiert wird und sich empört, gibt es aus Tschetschenien kaum noch Berichte über das Vorgehen der russischen Truppen. Die demokratischen Staaten, die Medien, selbst die internationalen Hilfsorganisationen scheinen sich damit abgefunden zu haben, dass Wladimir Putin weiterhin ausschließlich auf eine militärische Lösung des Konflikts setzt. Der Kremlherrscher hat Recht darin, dass er den Konflikt im Kontext des internationalen Terrorismus sieht. Was den Glaubenskriegern auf dem Balkan nicht gelang, wurde im Kaukasus grausige Wirklichkeit. Tschetschenien gilt ihnen als Beweis für die finsteren Pläne der Welt außerhalb des Islams. Aber gerade deswegen wäre eine andere, auf Versöhnung zielende Politik Russlands nötig. Voraussetzung dafür aber wäre die überfällige Internationalisierung des Konflikts und der Abzug russischer Truppen. Dies ist, ähnlich wie im Kosovo, auch ohne eine neue Grenzziehung möglich. Zweierlei aber fehlt dafür im Moment. Zum einen ist die russische Politik zu einer solchen Kurskorrektur nicht fähig. Denn dies hieße, zugeben zu müssen, dass nur eine Rückkehr zum Reformprozess eine Antwort auf die Probleme des Landes ist. Und zum anderen hat die Staatengemeinschaft nach den bitteren Irak-Erfahrungen nicht die Kraft, sich zu engagieren. Der amerikanische Präsident George W. Bush hat es mit seiner Politik tatsächlich geschafft, den letzten Rest an Gemeinsamkeiten beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus infrage zu stellen. Deswegen auch wird es bei diesen Momentaufnahmen des Schreckens aus Tschetschenien bleiben. Die wiederum vermitteln ja auch nur eine Ahnung von dem alltäglichen Leid, dem die Bevölkerung, aber auch tausende junger, dort zwangsstationierter russischer Rekruten ausgesetzt sind.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau
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