Entgegen aller Ankündigungen: Deutschland kommt seinen entwicklungspolitischen Verpflichtungen nicht nach!
Tübingen (ots)
Gestern hat der Entwicklungsausschuss der OECD die Eckdaten zur offiziellen Entwicklungshilfe veröffentlicht, die im Jahr 2010 von den wirtschaftlich privilegierten Staaten geleistet wurde. Nach den Angaben der OECD hat sich der Umfang der von Deutschland für die Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellten Mittel im Vergleich zum Vorjahr von 8,7 auf 9,6 Mrd. Euro erhöht. Im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen, dem Maßstab für die wirtschaftliche Kapazität, entspricht dies einer Steigerung von 0,35 Prozent auf 0,38 Prozent.
"Auch wenn die Erhöhung der Mittel grundsätzlich zu begrüßen ist, bleibt sie weit hinter dem zurück, was Deutschland als Entwicklungshilfe gemessen an den wirtschaftlichen Möglichkeiten eigentlich leisten sollte.", so Joachim Rüppel, Sprecher im Aktionsbündnis gegen AIDS und HIV/Aids-Experte im Missionsärztlichen Institut in Würzburg. "Nach Darstellung von Minister Niebel zeigt der relative Zuwachs, dass die Bundesregierung auf bestem Wege sei, den internationalen Verpflichtungen Deutschlands nachzukommen. Dabei übergeht er jedoch entscheidende Tatsachen, die eine ganz andere Einschätzung nahelegen.", so Rüppel weiter.
Die OECD zeigt in ihrer knappen Einzelbewertung, dass die Erhöhung vor allem durch die Vergabe neuer Kredite für Entwicklungsvorhaben zustandekam. Die am stärksten benachteiligten Länder sind aber gar nicht in der Lage, solche Darlehen anzunehmen und zurückzuzahlen. Somit können diese Mittel nicht dort eingesetzt werden, wo die Menschen besonders unter Armut, Hunger und Krankheiten leiden.
Die Bundesregierung bleibt ungeachtet der zusätzlichen Mittel weit hinter den gegebenen Versprechen und den Bemühungen der meisten anderen Geberstaaten zurück. Deutschland hatte sich im Rahmen der EU verpflichtet, bis 2010 eine Mindestquote von 0,51% zu erreichen. Dass das Mitgliedsland mit der größten Volkswirtschaft seine Zusagen nicht erfüllt hat, war ein wesentlicher Grund für das Versagen der Union insgesamt und den damit verbundenen Verlust an Glaubwürdigkeit. Unter den 17 europäischen Mitgliedstaaten des OECD-Entwicklungsausschusses wiesen nur vier eine niedrigere Quote der Entwicklungshilfe auf als Deutschland (Italien, Österreich, Griechenland und Portugal).
Deshalb fordert das Aktionsbündnis gegen AIDS die Bundesregierung auf, noch sehr viel ernsthaftere Anstrengungen für eine umfassendere Solidarität zu unternehmen. Derzeit hat nur ca. ein Drittel der 15 Millionen Menschen mit einer fortgeschrittenen HIV-Infektion Zugang zu einer lebensbewahrenden Therapie. "Angesichts der enormen unerledigten Aufgaben, vor die sich die Weltgemeinschaft infolge der strukturellen Benachteiligung großer Teile der Menschheit gestellt sieht, ist dies dringlicher denn je", so Rüppel und weiter: "Solange die deutsche Entwicklungszusammenarbeit solche Defizite aufweist, während Millionen Menschen durch behandelbare Krankheiten zu sterben drohen, haben die politisch Verantwortlichen keinen Grund für eine selbstgefällige Haltung."
Die Regeln der OECD erlauben es auch, Buchungsgrößen auf die Entwicklungshilfe anzurechnen, die keine reale Übertragung von Ressourcen an Entwicklungsländer beinhalten. Bereinigt um diese Verzerrungen belief sich die Quote Deutschlands im Jahr 2009 nicht auf die offiziell genannten 0,35% sondern nur auf 0,31% des BNE. Diese künstliche Aufblähung war im Jahr 2010 aller Voraussicht nach mindestens ebenso so groß.
Das AKTIONSBÜNDNIS GEGEN AIDS ist ein Zusammenschluss von über 100 Organisationen der Aids- und Entwicklungszusammenarbeit sowie mehr als 280 lokalen Gruppen. Der Ausbau der finanziellen Ressourcen zur weltweiten HIV-Prävention sowie der Zugang zur Therapie sind die zentralen Anliegen des Bündnisses. Weitere Information über uns sind unter www.aids-kampagne.de erhältlich.
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