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Berliner Morgenpost: Kommentar: Der Senat hat die Berliner ganz bewusst getäuscht

Berlin (ots)

Erinnert man sich daran, welchen Zwecken das
Gelände des heutigen Flughafens Tegel einst diente, ist es weniger 
überraschend, dass noch immer reichlich gefährliche Explosivstoffe 
auf dem Gelände von Berlins wichtigstem Airport vor sich hinrosten: 
bis 1918 Schießplatz für Preußens Artillerie, Anfang der Dreißiger 
Jahre startete Werner v. Braun seine ersten Raketenversuche, 1948 
bauten die Franzosen im Eilverfahren ihren Flugplatz, der bis 1960 
ausschließlich militärisch genutzt wurde. Auch vor und nach dem 
Ausbau Tegels zum Zivilflughafen (Eröffnung 1974) hat es keine 
flächendeckende Suche nach Kampfstoffresten gegeben. Deshalb ist es 
ja wohl auch kein Zufall, dass der Senat schon vor Jahren ein 
Gutachten zur Altlastenbewertung in Auftrag gegeben hat. Als Skandal 
entpuppt sich nun dagegen, wie die rot-rote Landesregierung mit dem 
Ergebnis der Untersuchung ("flächendeckende Kampfmittelberäumung 
aller nicht versiegelter Flächen" nötig) umgeht. Und das gleich in 
mehrfacher Hinsicht. Seit mehr als drei Jahren hält der Senat das 
Gutachten unter Verschluss. Statt so schnell wie möglich zu handeln 
und so weit wie möglich alle Munitionsreste aus beiden Weltkriegen 
zum Schutz des Flugverkehrs zu bergen (allein beim Bau des neuen 
Terminals C wurde tonnenweise Munition ausgebuddelt!), wurden 
Warnungen und Handlungsempfehlungen der Studie missachtet. Und damit 
explosive Zwischenfälle in Tegel billigend in Kauf genommen. Das ist 
für eine Landesregierung unverantwortlich. Der nächste Skandal liegt 
in der gezielten Täuschung der Berliner durch den Senat. Damit kommt 
noch einmal der Flughafen Tempelhof ins Spiel. Wäre das Tegeler 
Altlasten-Gutachten nicht jahrelang zur geheimen Verschlusssache 
erklärt, sondern - wie die meisten anderen Gutachten auch - 
veröffentlicht worden, hätte der knapp gescheiterte Volksentscheid 
über Tempelhof durchaus anders enden können. Denn mit dem Wissen um 
die explosive Lage in Tegel wären die Argumente noch überzeugender 
gewesen, den Flughafen Tempelhof zumindest bis zur Fertigstellung von
Schönefeld offen zu halten. Wer wie der Senat ein so brisantes 
Gutachten in einem so politisch wie emotional aufgeladenen Umfeld 
eines Volksentscheids in der Schublade versteckt, muss sich den 
Vorwurf der gezielten Manipulation gefallen lassen. Wie bekannt, 
wollte der Senat mit aller Macht Tempelhof schließen. Seit dem 
Vollzug Ende Oktober gibt es auf Berlins verbliebenen Flughäfen keine
Kapazitätsreserven mehr. Würden aus dem Altlasten- Gutachten endlich 
die überfälligen Konsequenzen gezogen, wären die offenkundig nur bei 
eingeschränktem Flugbetrieb möglich. Das wiederum würde den 
finanziellen Gewinn Tegels schmälern, der so dringend für den Ausbau 
Schönefelds gebraucht wird. Deshalb dürfte die Altlastenbeseitigung, 
auf die der Senat bei privaten Bauvorhaben peinlichst zu pochen 
pflegt, wohl bis zur Schließung auch Tegels vertagt werden. Damit 
muss der Senat auch damit leben, dass er die größtmögliche Sicherheit
auf Berlins größtem Flughafen selbst verschuldet nicht garantieren 
kann. Das ist noch ein Skandal.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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