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Berliner Morgenpost: Wer füllt die Schröder-Lücke? - Leitartikel

Berlin (ots)

Es wird auch weiter heftig rumpeln an dieser oder
jener Stelle bis zum Dresdner Parteitag der Sozialdemokraten. Dazu 
war der Absturz der SPD auch zu derbe, als dass man jetzt ein paar 
neue Köpfe montiert, und dann ist gut. Aber unterm Strich - keine 
Frage - wird das, was die SPD-Gremien gestern beschlossen haben, dem 
Parteitagsvotum sehr nahe kommen. Sigmar Gabriel ist jetzt gesetzt, 
77 Prozent sind in dieser Lage ein fast schon glänzendes Ergebnis. 
Dazu Hannelore Kraft, auf die es ankommt bei der wichtigen Wahl in 
NRW; Andrea Nahles, immer hoch umstritten, Manuela Schwesig, der 
immer unscheinbare Olaf Scholz. Und Klaus Wowereit natürlich, der 
seine weitergehenden Ambitionen nur noch schlecht verbergen kann und 
dafür gestern Abend prompt eine Abmahnung erhielt. Dieses Sextett, 
dazu ein Fraktionschef Steinmeier, von dem man noch nicht so recht 
weiß, wie weit seine Kräfte ihn tragen, soll sie anführen: die neue 
alte SPD, die wieder näher dran ist am "kleinen Mann", weit weg von 
den Genossen der Bosse. So will man sich aufstellen in den kommenden 
Wochen und Monaten.
Kampagnenfähig wird diese Formation vermutlich sein, regierungsfähig 
eher nicht so schnell, aber geeignet, unser mittlerweile ganz schön 
instabiles Parteiensystem erneut in Bewegung zu bringen. Nimmt man 
ernst, was die neuen Protagonisten so von sich gegeben haben in den 
vergangenen Tagen, dann darf man die Sozialdemokraten der Zukunft 
deutlich nach links gerückt sehen. Das wird, jenseits aller 
Koalitionsoptionen, zunächst einmal zu einem verschärften 
Konkurrenzkampf innerhalb des linken Lagers führen. SPD und Grüne und
Linke mähen im Prinzip ja dieselbe Wiese, die auch nicht größer wird,
wenn einer der Beteiligten verspricht, künftig nicht mehr über den 
bürgerlichen Zaun zu grasen. Allein die daraus folgende Dynamik, der 
schärfere Wettbewerb links der Mitte, wird Konsequenzen haben für die
politische Statik der Republik, die Verlockung, den jeweils anderen 
noch mal links zu überholen, wird groß sein. Andererseits werden 
Wahlen auch künftig nicht an den Rändern, sondern in der Mitte 
gewonnen. Dort also, wo Angela Merkel sich schon recht breit gemacht 
hat, entsteht so etwas wie eine Schröder-Lücke, um die sich Union und
FDP mit Teilen der Grünen und einigen Restbataillonen der 
Sozialdemokraten balgen werden. Ein Gerangel, dessen Ausgang in den 
kommenden Lager-Wahlkämpfen entscheidend sein könnte.
Für die SPD wird dabei eine wichtige Rolle spielen, wie sich der neue
Vorsitzende positioniert. Sigmar Gabriels politisches Profil ist 
hinreichend diffus, um eine Weile zwischen den Antagonisten Wowereit 
und Steinmeier zu moderieren, sein Machtwille groß genug, sie am Ende
beide zur Seite zu drängen.
Für das bürgerliche Lager dagegen hängt viel davon ab, ob das jetzt 
auszuhandelnde Koalitionsprogramm gerade in seinen sozialpolitischen 
Teilen von jener umkämpften Mitte als ausreichend gerecht empfunden 
wird. Der Ansatz, dafür das nach all den Kämpfen nicht mehr 
vermittelbare Hartz IV durch ein Lebensleistungen anerkennendes 
Bürgergeld zu ersetzen, könnte wegweisend sein.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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