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Berliner Morgenpost: Ein untauglicher zweiter Versuch - Leitartikel

Berlin (ots)

Im letzten Bundestagswahlkampf zeigte er sich als
stumpfe Waffe. Jetzt versuchen Linkspartei, Gewerkschaften und ganz 
sicher bald auch die SPD die Forderung nach einem flächendeckenden 
Mindestlohn wieder anzuspitzen. Nach dem Motto "Was du verlangst, da 
leg ich noch mindestens einen Euro drauf" übertrumpfen sich Gregor 
Gysi als Vordermann der Linkspartei an dem einen Frontabschnitt, die 
Gewerkschafter Michael Sommer und Frank Bsirske am anderen 
gegenseitig mit ihrem Verlangen. Deutlich mehr als die bisherige 
Forderung von 7,50 Euro Mindeststundenlohn kündigt Sommer an, sein 
Kollege Bsirske denkt laut über einen Betrag zwischen 8,50 und neun 
Euro nach, und Gysi schlägt gleich richtig zu, hält zehn Euro für 
angemessen.
Nach dem Motto "Wer hat noch nicht - wer will noch mal" wird munter 
draufgesattelt. Zahlen müssen ja ohnehin andere, und von den 
Konsequenzen für die betroffenen, meist minder qualifizierten 
Arbeitnehmer interessieren Gysi, Sommer und Genossen allein die 
vermeintlich positiven. Dass ein flächendeckender Mindestlohn 
Hunderttausende Jobs im Niedriglohnbereich bedrohen würde, wollen sie
nicht begreifen. Viele dieser Arbeitsplätze werden nur besetzt, weil 
sie wegen ihrer geringen Produktivität, mangelhafter Qualifikation 
oder zu harter Konkurrenz gering bis bescheiden entlohnt werden. 
Steigen Löhne plus Sozialabgaben über ein bestimmtes Maß, werden 
diese Arbeitsplätze gestrichen. Das ist die Realität.
In der Hoffnung, dass sie nun, da so viele Wähler den Glauben an die 
neue schwarz-gelbe Regierung schon wieder verloren haben, mehr 
Zuspruch als noch im September findet, tischt die vereinte Linke die 
Forderung nach dem Mindestlohn neu auf. Das ist nicht nur 
populistisch, es passt auch nicht in die Zeit. Ist ja kein Zufall, 
dass auch der Arbeitsmarkt in Deutschland die schwerste 
Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten bislang ohne schwere Einbrüche 
weggesteckt hat und nach neuen Prognosen wohl weiter von ihnen 
verschont bleibt. Ein Grund dafür ist der Niedriglohnsektor. Er hat 
sich als Stabilisator am Arbeitsmarkt bewährt.
Auch wenn es über die Hartz-IV-Regelungen (ohne eigener Hände Arbeit)
längst eine Grundsicherung für jedermann gibt, sind Niedriglöhne um 
die vier bis sechs Euro allerdings nur schwer in einer Gesellschaft 
zu akzeptieren, in der die Teilhabe am Arbeitsleben für die meisten 
Menschen eine entscheidende Rolle spielt. Deshalb hat die große 
Koalition längst branchenbezogene Mindestlöhne - auch im Hinblick auf
die Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 2011 innerhalb der gesamten EU - 
beschlossen. An ihnen halten Union und FDP fest. Aber für die Zukunft
muss auch im Niedriglohnbereich gelten: nicht der Staat, sondern die 
Tarifpartner vereinbaren die Löhne; nach den wirtschaftlichen 
Möglichkeiten. Dabei sind im Zweifelsfall auch staatliche Zuschüsse 
(Kombilohn) vertretbar. Unverantwortlich dagegen Forderungen nach 
einem generellen überhöhten Mindestlohn. Der hilft den Betroffenen 
nicht. Der verurteilt zu viele zu neuer Arbeitslosigkeit.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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