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WAZ: Über globalisierte Kommunikation Flach ist die Welt auch für Terroristen - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Vor 20 Jahren noch war die Welt eine Kugel, auch für
Terroristen. Wenn die Rote Armee Fraktion (RAF) ihr übles 
Terror-Handwerk ausübte, lud der Bundesinnenminister die wichtigsten 
innenpolitischen Korrespondenten ein und legte schonungslos die 
Karten auf den Tisch. Die Journalisten erfuhren (beinahe) alles, was 
die Ermittler wussten - und schwiegen. Selbstredend trugen deren 
Chefredakteure diesen Akt der Staatsräson mit.
Im Ausland gab es damals gleichfalls Terror, und die ersten 
islamistischen Selbstmordattentäter lebten ihre menschenverachtenden 
Phantasien in Indonesien aus. In Europa, in Deutschland, erfuhr man 
davon so gut wie nichts. Solche Sachen fanden statt am anderen Ende 
der Welt. Gefühlte Unerreichbarkeit.
Damals, vor gerade einmal 20 Jahren: Es gab noch keine Handys, 
kein Internet, keinen Elften September. Und es war, weil die deutsche
Geschichtslast noch politisch bestimmend war, völlig undenkbar, 
Deutschlands Freiheit mit Bundeswehr-Soldaten fernab am Hindukusch zu
verteidigen.
Heute ist die Welt keine Kugel mehr, sie ist flach, leider auch 
für Terroristen. Die studieren erst unerkannt im Ausland, in den USA 
oder in Deutschland Ingenieur- oder Kommunikationswissenschaften, 
besuchen dann eine saudische oder pakistanische Koranschule, wo sie 
mit jenem eindimensionalen Weltbild aufgeladen werden, das ein 
angehender Selbstmordattentäter braucht. Um die Einsatzorte 
ausländischer Streitkräfte herum ist längst eine skrupellose 
Entführungsindustrie entstanden, wobei die Grenze zwischen "bloß" 
kommerziellen und politischen Entführern längst zweitrangig geworden 
oder ganz verschwunden ist.
Wo früher die Nachrichtensperre wirkte, haben Handy, Internet und
Al-Dschasira die Regie übernommen. Bärtige Männer in afghanischen 
Bergen oder irakischen Vorstädten, die Lenkwaffen einer durchaus 
gebildeten Terror-Elite, entführen Menschen aus den entwickelten, 
zahlungsfähigen Ländern mit empfindlicher Öffentlichkeit. Und wir 
sind live dabei.
Erpressbar sind wir längst: Staaten ziehen zwar keine Soldaten 
ab, aber Lösegeld wird gezahlt, was das perverse Entführungsgeschäft 
noch lukrativer macht. Sicher gehen seriöse Medien 
verantwortungsbewusst mit dem Phänomen um. Aber am Ende werden alle 
damit klarkommen müssen, dass sich von der globalisierten 
Kommunikation niemand ausschließen lässt. Das ist die dunkle Seite 
der Mediendemokratie.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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