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WAZ: Koalitionsklausur in Meseberg: Zu viele Menschen nicht erreicht - Leitartikel von Angela Gareis

Essen (ots)

Eine Klausurtagung in einem entlegenen Weltwinkel
wie Meseberg hätte sinnvoll sein können, wenn das Kabinett einmal 
über den Tag und die Parteien hinaus das wirklich wichtige Problem 
des Landes besprochen hätte: Armut im Aufschwung.
Der Aufschwung ist da, die Arbeitslosigkeit sinkt, und Geld 
fließt in den Haushalt. Trotzdem überzeugt die Große Koalition ihre 
Wähler nicht, weil der Aufschwung zu viele Menschen nicht erreicht. 
Die breite Mehrheit wirft der Regierung vor, nicht genug für soziale 
Gerechtigkeit zu tun.
Die Hetzjagd auf Inder in Mügeln hat die Koalition verstört. 
Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) wirft Familienministerin 
Ursula von der Leyen (CDU) Versäumnisse vor. SPD-Chef Kurt Beck 
fordert ein NPD-Verbot. Gleichzeitig überlegt die Koalition, wie man 
qualifizierte Menschen aus anderen Ländern in die Republik holt, weil
die Wirtschaft unter dem Mangel an qualifizierten Kräften leidet. 
Aber zwischen Hetzjagd, NPD und Fachkräftemangel besteht ein 
trauriger Zusammenhang, den die Koalition nicht benennt.
An gering Qualifizierten mangelt es nicht, für sie fehlt Arbeit. 
Warum aber mangelt es an qualifizierten Kräften? Weil nach einer 
lange unbeachteten Entwicklung heute 17 Prozent der Kinder in 
finanzieller und geistiger Armut leben. Sie wachsen als Verlierer 
heran und suchen sich im schlimmsten Fall Schwächere, an denen sie 
ihre Minderwertigkeitskomplexe grausam abreagieren. Im Osten wachsen 
mehr Verlierer heran als im Westen. Unter ihnen rekrutiert die NPD 
ihre Anhänger. Oder die Linke ihre Wähler, die sie zunehmend auch im 
Westen einsammeln kann. In Sachsen, dort liegt Mügeln, hat die Große 
Koalition Umfragen zufolge ihre Mehrheit verloren. Die Volksparteien 
erreichen zusammen noch 47 Prozent.
Wenn Menschen das Gefühl haben, vom wirtschaftlichen Aufschwung 
nicht zu profitieren, dann hängt das eng damit zusammen, dass der 
gesellschaftliche Aufschwung ausbleibt. Das Prekariat in seiner oft 
ungepflegten Erscheinungsform verunsichert auch Menschen in Arbeit, 
weil es ein neues angsterweckendes Bild von Arbeitslosigkeit prägt. 
Im Angesicht dieses Zukunftsproblems vermitteln die Volksparteien den
Eindruck, als befänden sie sich in permanenter Klausur, weit 
abgeschieden von der Wirklichkeit. Sie wollen schlicht nicht zugeben,
dass sie Bildung nicht als d i e Aufgabe des Bundes, des Staates 
erkannt haben. Im Zuge der Föderalismusreform haben sie den letzten 
Rest der Zuständigkeit an die Länder abgetreten.

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Rückfragen bitte an:
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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

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