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WAZ: Die RAF und der Staat: Mythos und Wahrheit - Leitartikel von Rolf Potthoff

Essen (ots)

Sie waren ja nicht als Mörder geboren. Viele kamen
aus bürgerlichem Haus; aus Lehrer-, Historiker-, Pfarrersfamilien. 
Und doch wurden sie zu den "rasenden Kindern", wie der Publizist 
Happrecht die RAF einst beschrieb. Und doch wurden sie kalte 
Verbrecher, an deren Händen das Blut Dutzender klebt, in deren Händen
vor 30 Jahren das Martyrium Schleyers begann.
Ihr ursprünglicher Antrieb war ja nicht, das Böse in Deutschlands
biederen, friedlichen Westen zu säen. Ihr Antrieb war im Grund 
ehrenwert, ja, moralisch integer: Das Beschweigen der 
Nazivergangenheit aufbrechen, die unbewältigt blieb. Und ein 
Gegenentwurf zur Allmacht des Kapitals schaffen. Das wollten viele, 
nicht nur Links-Intellektuelle, in der Republik der 60er Jahre.
Eben das war der Stoff, aus dem sich der Mythos RAF speiste; was 
selbst eine in dem Krieg des Terrors gegen den Staat mäßigende Kraft 
wie Heinrich Böll einmal vom "Kampf der sechs gegen 60 Millionen" 
sprechen ließ. Das war es, der manchem gar schlimmste Verbrechen 
"klammheimlich" verklären half. Doch es war eine Schimäre; das wahre 
Gesicht der RAF war es nicht.
Denn was anfangs mit der anmaßenden Lebenslüge der RAF begann, 
die Unterdrückten, gar die westdeutsche Gesellschaft in den 
revolutionären Aufstand zu führen, gerann zum schieren Mord. Selbst 
zum Verrat an eigenen Zielen: Warfen sie der Vätergeneration den 
Holocaust vor, so waren sie durch den Pakt mit terroristischen 
Palästinensern selbst zum Judenmord bereit. Realitätsferne 
Verblendung hatte die RAF-Generationen mehr und mehr pervertiert.
Reagierte der Staat unter SPD-Kanzler Schmidt damals richtig? Er 
hatte keine Wahl, er musste entschieden reagieren. Er ging hart bis 
an sein Fundament, die Verfassung. Doch er verletzte sie trotz der 
allgegenwärtigen Bedrohung nie. Weder durch Rasterfahndung noch durch
Verschärfung des Strafrechts oder Kontaktsperre-Gesetz. Die 
Demokratie blieb stabil, obwohl ihre Gegner sie bis aufs Äußerste 
herausforderte. Die RAF wollte den Krieg, ihr Kosmos war einfach: Es 
gab nur Schwarz oder Weiß.
Und damit scheint eine düstere Parallele zur Gegenwart auf. 
Obwohl der damalige Terror nicht direkt mit dem fanatischer 
Islamisten zu vergleichen ist, der heute die westliche Ordnung 
bedroht: Kategorische Intoleranz und Verblendung aber sind beiden 
gemein. Dem mit Härte zu begegnen, wird heute - wie damals - 
notwendig sein. Für eine freiheitliche Bürgergesellschaft mag dies 
als bittere Erkenntnis erscheinen.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

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