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WAZ: Katholikentag in Osnabrück - Es fehlt der Mut. Leitartikel von Angelika Wölk

Essen (ots)

Katholikentage sind nicht nur nette Familientreffen,
imposante Feste des Glaubens. Das sind sie auch, keine Frage. Und das
ist auch gut für die Kirche und für die Katholiken. Doch sie sind 
auch immer Seismografen für das, was in der Gesellschaft passiert - 
und für das, was sich in der Kirche, beim Kirchenvolk, tut. Doch 
dieser Katholikentag hat die Grundstimmung im Kirchenvolk leider 
nicht aufgegriffen.
Denn der Katholikentag in Osnabrück findet in einer für die 
Kirche überaus schwierigen Zeit statt. Überall werden Kirchengebäude 
geschlossen, verkauft, abgerissen. Pfarreien werden zusammengelegt, 
Angebote gekürzt. Für viele Katholiken bricht eine einstmals heile 
Welt zusammen. Viele sind tief traurig über den Verlust der 
Heimatkirche oder -gemeinde. Und häufig sind sie auch noch verärgert 
darüber, dass die Bistumsleitung sie mit diesen Plänen mehr oder 
weniger überfahren hat, dass sie nicht an den Entscheidungen 
beteiligt worden sind.
Weiteres kommt hinzu: Da wird überall von neuen Strukturen 
gesprochen, doch neue Großgemeinden brauchen auch eine neue Form der 
Seelsorge. Die Menschen in einer Großgemeinde müssen anders 
angesprochen werden, sonst fühlen sie sich leicht verloren. Doch wo 
sind die neuen Seelsorge-Konzepte?
Es gäbe also genug Stoff, um einen ganzen Katholikentag lang 
Gesprächsrunden zwischen Bischof und Kirchenvolk zu füllen. Doch 
dieses Thema steht in Osnabrück nur in einigen wenigen 
Veranstaltungen auf dem Programm. Es scheint ganz so, als kusche das 
Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) als Veranstalter vor 
den Bischöfen. Schade, dass diese Gelegenheit vertan wurde.
Das ZdK war schon mal mutiger. Gerade jetzt werden die 
Erinnerungen an den Katholikentag wach, der genau vor 40 Jahren in 
Essen stattfand. Damals war von den "linken Frommen" die Rede. Sie 
mischten das Treffen mit ihrer Kritik an der kurz zuvor 
veröffentlichten Enzyklika "Humanae Vitae" auf. Darin verbot Papst 
Paul VI. faktisch den Gebrauch der "Pille". Heute jedoch gibt sich 
das ZdK brav. Stattdessen gestalten die Mitglieder der Reformbewegung
"Wir sind Kirche" Teile des offiziellen Programms mit. Überhaupt sind
sie es und nicht das ZdK, die strittige Themen aufgreifen.
Dabei wäre etwas mehr Widerspruch auch für die Kirche wichtig. 
Nur eine Kirche, die streitet, ist lebendig.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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