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WAZ: Kursdebatte in der SPD - Einzelkampf statt Solidarität. Leitartikel von Angela Gareis

Essen (ots)

Eines muss man anerkennen: Die SPD ist eine Partei,
die an Authentizität schwer zu überbieten ist. Freimütig offenbart 
sie ihre Schwächen, lässt die Öffentlichkeit teilhaben an ihrer 
Verzagtheit und vor allem an ihrer inneren Zerrissenheit. Peer 
Steinbrück träumt von einer Fortsetzung der Großen Koalition, weil 
sich mit der Union der Haushalt schön sanieren lässt. Kurt Beck 
träumt von einem Bündnis mit den Liberalen, weil er mit ihnen in 
Rheinland-Pfalz gut zusammengearbeitet hat. Frank-Walter Steinmeier 
träumt mit dem Blick auf eine Kanzlerkandidatur eventuell schlecht 
oder gar nicht oder von den Grünen. Die SPD-Linken träumen von der 
Linkspartei.
Theoretisch könnte man daraus lesen, dass die SPD über ein großes
Spektrum für Bündnisse der Zukunft verfügt. Praktisch aber sagt und 
tut in dieser Partei einfach jeder, was er will. Womöglich ist es der
Fluch der SPD im 21. Jahrhundert, dass sie die "Fliehkräfte der 
Gesellschaft", um eine Formulierung von Steinbrück zu verwenden, 
höchstpersönlich präzise abbildet.
Mit der Zunahme individueller (und egoistischer) Lebensentwürfe 
schwindet in der Bundesrepublik wie in anderen modernen 
Gesellschaften die Fähigkeit zur Solidarität. Weil das so ist, wächst
das Bedürfnis nach Solidarität (der jeweils anderen). Gerade in 
wirtschaftlich ungewissen Zeiten, in denen scheinbar schlagartig 
Finanzkrisen ausbrechen, Energiepreise steigen und Stellen abgebaut 
werden, vertieft sich bei vielen Menschen die Sehnsucht nach 
Solidarität parallel zu der Angst, sehr individuell zum Verlierer der
Globalisierung zu werden.
Das diffuse Gefühl, dass irgendeine Solidarität irgendwoher 
kommen müsste, stärkt die Linkspartei unter anderem deshalb, weil die
Sozialdemokraten miteinander vollkommen unsolidarisch umgehen. Wähler
durchschauen kaum mehr, wer in der SPD bis in die Führung um den 
einsam gewordenen Vorsitzenden Beck hinein gegen wen opponiert, ahnen
jedoch, dass jeder hauptsächlich seine eigenen Interessen verfolgt. 
Das wirft Menschen, die Angst haben, auf sich selbst zurück. Auch der
CDU trauen Wähler nicht zu, die "Fliehkräfte der Gesellschaft" 
aufzuhalten, aber die Rettung der Schwachen und Schwächsten hat man 
von ihr auch nie erwartet.
Der SPD dagegen nimmt man wohl besonders übel, dass sie in 
unsicheren Zeiten an Stelle von Solidarität im Großformat einer 
Volkspartei erstens den Einzelkampf vorlebt. Und dass sie zweitens 
auch noch vorführt, wie leicht man damit scheitern kann.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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