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WAZ: Macht und Ohnmacht der IOC-Führung. Leitartikel von Hans-Josef Justen

Essen (ots)

Versteht sich das Internationale Olympische Komitee
als "Weltregierung des Sports", dann ist sein Präsident Jacques Rogge
logischer Weise eine globale Allmacht von unerreichter Dominanz. 
Stärker noch als Joseph S. Blatter, der oberste Dienstherr aller 
Fußball-Verbände. Doch allein die Namen der beiden Autoritäten zu 
nennen, heißt zugleich, ihre Eigenarten miteinander zu vergleichen 
und Fragen zu stellen wie diese: Wäre Sepp Blatter vor dem Diktat 
eines WM-Ausrichters tatsächlich auf ähnlich duldsame Weise 
eingeknickt wie Jacques Rogge gegenüber dem chinesischen Gastgeber 
der Sommerspiele in Peking?
Kurze, knappe Antwort: Nein, sicher nicht. Während Blatter vor 
der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland sogar verfügt hat, dass die
nach unverzichtbaren Sponsoren benannten Stadien für die Dauer des 
Turniers einheitlich in WM-Arenen umgetauft und VIP-Zonen für A- oder
B-Promis eingerichtet werden mussten, hat sich Rogge bei der Klärung 
eines fundamentalen Problems auf die Sichtweise der Chinesen 
eingelassen: Ausgerechnet bei den Olympischen Spielen, einer 
Veranstaltung, die sich der grenzenlosen Freiheit und 
Völkerverständigung rühmt, sind Informationskanäle für Athleten und 
Berichterstatter ausgetrocknet worden: China bestimmt per Zensur, 
welcher Internet-Zugang geöffnet werden darf, und Rogge, der auch den
leisesten Versuch von Beschränkungen noch vor Wochen ins Reich der 
Fabel verwies, steht gegenüber dem Reich der Mitte wie ein Weichmann 
da: Das IOC sei, so räumte der 66 Jahre alte Chef dieser 
Weltregierung kleinlaut ein, Opfer einer "gewisssen Naivität" 
geworden. Doch IOC-Funktionäre seien "Idealisten", und Idealismus 
habe eben auch mit Naivität zu tun.
Hier äußert sich die Ohnmacht eines mächtigen Zirkels, der 
losgelöst von China ganz schön die Muskeln spielen lässt: Nicht 
zimperlich bei Milliarden-Forderungen für die Vermarktung der fünf 
Ringe, oft rücksichtslos bei der zwar fernsehfreundlichen, aber für 
Athleten unzumutbaren Gestaltung des olympischen Programms und 
unerbittlich bei Vorschriften fürs angepasste Verhalten der 
Teilnehmer, die Proteste und politische Äußerungen tunlichst zu 
unterlassen haben,
Eigentlich ist das IOC Hausherr bei Olympia, doch in Peking gibt 
der Gastgeber die Richtung vor, und Hausverwalter Rogge entschuldigt 
sich mit "Naivität". Einem Blatter wäre das nie passiert, was nicht 
für Blatter spricht, aber eindeutig gegen Rogge.

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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