Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Olympia und Terror - China - die Welt sollte hinschauen - Leitartikel von Lutz Heuken
Essen (ots)
Das war so ungefähr das Schlimmste, was sich Chinas Führung im Vorfeld von Olympia ausmalen konnte: ein Anschlag mit offenbar islamistischem Hintergrund. Angst vor Terror - ein weiterer Schatten liegt auf den Olympischen Spielen.
Viele Menschen in der Welt werden sich nach dem Anschlag von Xinjiang fragen: Islamisten in China? Uiguren? Nie gehört! In welch' ein Land hat das Olympische Komitee die Spiele eigentlich vergeben? Was wissen wir schon von dem 1,3-Milliarden-Volk? Was kennen wir außer den Klischees vom alten Mao und neuen Glitzerfassaden in Peking und Schanghai?
Die sich kommunistisch nennende Führung wollte und will die Chance von Olympia nutzen, das Reich der Mitte als Weltmacht zurückzumelden. Peking wurde herausgeputzt, Olympia minutiös und gigantisch vorbereitet. Bewundernd sollte die Welt auf das Land schauen, mit besten Eindrücken sollten die Gäste zurückkehren.
Dass die Welt in diesen Wochen nach China schaut, machen sich auch die Gegner und Kritiker des Regimes zunutze. Die Tibeter demonstrierten im Frühjahr massiv für ihre Rechte - und bekamen weltweit lautes Echo; auch wegen Olympia. Peking zensiert (wie immer) das Internet - im Vorfeld Olympias wird daraus weltweit ein Thema von Freiheit und Menschenrechten.
Auch der Terroranschlag in Xinjiang, 3000 Kilometer von Peking entfernt, findet vor allem wegen Olympia so viel Aufmerksamkeit. Die Islamisten ziehen das brutal ins Kalkül. Schon seit vielen Jahren fühlt sich die muslimische Acht-Millionen-Minderheit der Uiguren nahe der Grenze zu Pakistan und Afghanistan unterdrückt. Peking regiert mit harter Hand über die 55 anerkannten Minderheiten im Land und konnte sich bislang sicher sein, dass das - bis auf Tibet - weltweit nur sehr wenige Menschenrechtler interessiert.
Sicherlich kann man ein Riesenreich wie China, ein Land im Umbruch mit krassen sozialen Gegensätzen, nicht in kürzester Zeit in eine Musterdemokratie umwandeln. Dennoch darf man der diktatorischen Führung in Peking eine gigantische Selbstinszenierung im Zeichen der fünf Ringe nicht kritiklos gestatten. Wer die Welt zu Gast hat, muss auch mit der Welt reden: Nicht nur über Gold, Silber und Bronze sondern auch über Tibet, Uiguren und Meinungsfreiheit. Die Olympischen Spiele könnten der Beginn eines großen Dialogs mit einem großen Volk sein. Dann könnten es schließlich doch noch gute Spiele werden.
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