Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Olympische Spiele der Superlative - Das Risiko und der Reiz von Peking. Leitartikel von Hans-Josef Justen
Essen (ots)
Unworte des Jahres zu finden, wäre in den vergangenen Monaten relativ leicht gefallen: China, Peking, die Olympischen Sommerspiele. Diese Begriffe in einen stimmigen Einklang zu bringen, mit dem hehren olympischen Anspruch und der Wirklichkeit auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, schien unmöglich, aussichtslos. Der empörende Skandal um Tibet, wo Demonstranten von chinesischen Militärs gnadenlos niedergeknüppelt wurden, der umstrittene, fast makaber wirkende olympische Fackellauf, der vom chinesischen Geheimdienst vor wütenden Protesten geschützt werden musste, und die rabiate Inhaftierung von Kritikern provozierten unter Menschenrechtlern den Aufruf zum Boykott.
Davon ist bei den olympischen Machern an diesem Freitag jedoch nicht mal mehr andeutungsweise die Rede: Über 80 führende Staatsmänner und gekrönte Häupter haben sich zur bombastischen Eröffnungsfeier angesagt. Mehr als vier Milliarden Menschen werden sich weltweit via Fernsehen zuschalten, und die erdrückende Mehrzahl der Athleten stellt sich für den kurzen Einmarsch stundenlang in die Warteschleife.
Peking genießt den einmaligen Reiz, der der nach wie vor von Olympia ausgeht, und der auch den entscheidenden Anstoß gab, sich um die Ausrichtung dieses größten Sport-Spektakels zu bewerben. Trotz aller Risiken, auf die sich das Riesenreich der Mitte aus seiner Sicht eingelassen hat: China musste sich öffnen, China musste transparenter werden, weil die Welt mit großer Aufmerksamkeit hinschaut.
Olympia ist zwar nicht in der Lage, die politischen Verhältnisse, die Voraussetzungen für den menschlichen Alltag grundlegend zu verändern, doch wegen Olympia ist zumindest die Sensibilität gegenüber China gewachsen. Es reicht nicht, mit formidablen Sportstätten und einer optimierten Infrastruktur zu protzen, die Rekordsummen an Dollar-Milliarden verschlungen haben: China muss vielmehr über Olympia hinaus eine Perspektive bieten, eine Garantie für die Humanisierung zwischen Shenyang und Hongkong, wo der Freiheit unerträgliche Grenzen gesetzt wurden.
Doch auch das Internationale Olympische Komitee, dessen Führung in fundamentalen Fragen bisher auf skandalöse Weise einknickte, ist am Zug. Es muss der Geißel des Dopings mit rigoroser Entschlossenheit entgegenwirken. Denn wenn Olympia 2008 zu einem Drogen-Festival verkommen sollten, ist der ganze Spaß, den diese Spiele ohne jeden Zweifel vermitteln können, bald vielleicht auf ewig vorbei.
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