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WAZ: Finanzmarktkrise - Die Fratze des Monsters - Leitartikel von Thomas Wels

Essen (ots)

Die Kommentarlage in den Wirtschaftsblättern am Tag
eins nach dem Abriss der Wall Street gibt beredt Auskunft über die 
tiefe Verunsicherung, die diese Finanzkrise auslöst. War es ein 
"heilsamer Schock" (Handelsblatt), dass die USA Lehman Brothers haben
abstürzen lassen? Oder war es ein "Sprung ins Dunkle", wie die 
Financial Times Deutschland meint?
Klar ist, von den fünf größten Investmentbanken im Herzen des 
Weltfinanzzentrums sind noch zwei übrig. Goldman Sachs und Morgan 
Stanley sind noch da, Bear Stearn, Merrill Lynch und Lehman Brothers 
nicht mehr. Wie weit die Ausläufer dieser Erschütterungen reichen, 
das weiß heute kein Mensch. Um so erstaunlicher mutet die Debatte an,
die Finanzexperten über die Frage führen, ob die Hälfte des 
US-Hypothekenmarktes hätte auf Kosten der amerikanischen 
Steuerzahlers verstaatlicht werden dürfen oder nicht. Fünf Billionen 
Dollar hatten Fannie Mae und Freddie Mac in den Büchern - zigtausende
Häuslebauer wären im Wahlkampf vor dem Weißen Haus aufmarschiert. Der
Sündenfall?
Natürlich. Eine Verstaatlichung heißt immer, die Risiken zu 
sozialisieren, Risiken, die Manager-Millionarios eingegangen sind, 
die der Staat im Nachhinein noch belohnt und somit geradezu zum 
Weiterzocken aufruft. Und dennoch ist es so, als stünde man oben auf 
einem Achttausender, das rettende Seil in der Hand, darunter die 
Seilschaft im Blick. Loslassen, und hoffen, dass nicht allzu viele 
Hinterherkommende mit in den Abgrund gerissen werden?
Die Finanzkrise ist dramatisch unübersichtlich, die Folgen für 
die Weltwirtschaft nicht abschätzbar. Darüber lohnte sich eine 
ordnungspolitische Debatte. Bundespräsident Horst Köhler, der nicht 
gerade als Sozialist verschrien ist und im früheren Beruf Chef des 
Weltwirtschaftsfonds IWF war, sprach von einem Kapitalmarktmonster. 
Seit 1970 haben sich die Finanzvermögen weltweit auf 140 Billionen 
Dollar verzwölffacht, die Produktion nur vervierfacht.
Mathematiker erfinden Finanzkonstrukte, die Banker nicht 
verstehen. Die Krise ist eine ernste Vertrauenskrise, in der eine 
Bank der anderen nicht mehr über den Weg traut. Kredit gibt's nicht 
mehr, das Geld wird knapp, Zinsen steigen, Investitionen werden 
teurer und bleiben aus, die Wirtschaft schrumpft, die 
Arbeitslosigkeit steigt. Das ist das Mindeste, womit zu rechnen ist. 
Hier ist zunächst das Krisenmanagement der Notenbanken gefragt. Dann 
aber die Politik. Wenigstens muss es gelingen, das Monster einmal 
sichtbar zu machen.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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