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WAZ: Europa und die Finanzkrise - Erst breitbeinig - jetzt kleinlaut - Leitartikel von Knut Pries

Essen (ots)

Der Gesamtschaden der Welt-Finanzkrise ist derzeit
noch nicht annähernd zu überblicken. Aber spätestens seit dem 
vergangenen Wochenende weiß man: Zu denen, die in Mitleidenschaft 
gezogen werden, gehört auch Europa - nicht nur als Region und 
Standort, sondern auch als Organisation, die den Standort zu schützen
hat.
Dabei gibt die EU trotz der Fanfarenstöße, die sie jetzt in 
eigener Sache anstimmt, kein gutes Bild ab - schlingernd im Kurs, 
vage in der Solidarität, inkompetent in der Kommunikation. Erst 
lassen die Iren eine surreale Sparbuch-Garantie vom Stapel, die auf 
den Versuch hinausläuft, aus der allgemeinen Verunsicherung noch 
Profit zu schlagen; andere - Niederländer? Franzosen? - bringen per 
Flurfunk die Idee eines europäischen Stützfonds in Umlauf, die prompt
von den Partnern als Humbug unmöglich gemacht wird. Frankreich lädt 
hastig zu einem Kleingruppen-Event, den selbst Eingeladene als 
Aktionismus verspötteln, Deutschland verdammt den irischen 
Alleingang, nur um gleich darauf auf dieselbe Überholspur 
einzuschwenken.
Das alles ist umso unerfreulicher, als es sich in einer 
vermeintlichen europäischen Stärkezone abspielt. Dass die EU-Staaten 
außenpolitisch nur schwer zueinander finden, ist zwar immer wieder 
bedauerlich, wundert aber keinen mehr. Die Abstimmungsschwäche im 
Finanzsektor kommt hingegen als unangenehme Überraschung. Hier ging 
man breitbeinig, hier war man stolz, zumal in Euroland, hier fühlte 
man sich allemal berechtigt, über die unsoliden und konfusen 
Amerikaner den Kopf zu schütteln. Nun dämmert die Erkenntnis: Wir 
sind Nachbarn im Glashaus.
Federn gelassen haben nicht nur die üblichen Verdächtigen, 
Barrosos neben der Spur agierende EU-Kommission an der Spitze. 
Gerupft stehen auch die zuletzt als Bringer gerühmten Führungsfiguren
da: Angela Merkels Wende auf der Autobahn lässt den Verdacht zurück, 
dass auch sie nicht mehr genau weiß, wo es lang geht. Frankreichs 
Supermacher Sarkozy, viel gelobt für sein entschlossenes Handeln im 
Georgien-Konflikt, hat mit seinem Krisengipfelchen Erwartungen 
geweckt, aber nicht erfüllt.
Die Enttäuschung liegt vor allem im Fehlen eines europäischen 
Mehrwerts bei der Krisenbewältigung. Das Übel erfasst erkennbar alle,
aber jeder sucht ihm auf eigene Faust zu entwischen. Das hinterlässt 
einen Vertrauensschaden: Selbst wenn die Sache glimpflich ausgeht, 
wird das ohnehin mickrige politische Rating der EU weiter leiden. 
Wenn nicht, umso mehr.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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