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WAZ: Obamas Wahl - Amerikas Botschaft an Berlin - Leitartikel von Angela Gareis

Essen (ots)

Man liest viel über die Erwartungen, die Barack
Obama in der Welt geweckt hat, immer mit der Frage unterlegt, ob er 
diese wird erfüllen können. Obama hat aber auch Erwartungen geweckt, 
die er nicht erfüllen muss. Denn niemand kann ernstlich hoffen, dass 
er die deutsche Politik von ihrem tristen Erscheinungsbild befreit. 
Viele Deutsche erlebten mit Obamas Wahl nicht nur ein historisches 
Ereignis, sondern auch einen großen emotionalen Augenblick.
Politiker aller Parteien kletterten aus ihren Gräben und freuten 
sich mit Bürgern über den neuen Präsidenten der USA. Für eine kurze 
Zeit herrschte in der Bundesrepublik seltene Einigkeit. Während aber 
Amerikaner Obama mit viel Optimismus bei seinem Umzug ins Weiße Haus 
begleiten können, müssen Bundesbürger zusehen, wie die einheimischen 
Politiker wieder in ihre Parteigräben steigen, um sich von dort aus 
gegenseitig mit Forderungen und Kritik zu bewerfen.
In der Bundesrepublik sinkt das Interesse an Politik in Erdnähe. 
Die Gesellschaft zerfällt in viele Parallelgesellschaften. Manager 
leben in ihrer Welt, Politiker in einer anderen. Es gibt eine 
Arbeitslosenwelt, eine Migrantenwelt, eine Arbeitnehmerwelt, eine 
Welt einsamer alter Menschen. Und niemand ist da, der einen Aufruf so
formuliert, dass er wie ein Versprechen klingt: "Lasst uns einen 
neuen Patriotismus entwickeln, eine neue Verantwortlichkeit, bei der 
jeder einzelne beschließt, sich zu beteiligen und härter zu arbeiten 
und nicht nur an sich selbst, sondern an uns alle zu denken."
Obamas Worte sind bislang nur Worte, gewiss, und noch stellt der 
künftige Präsident eine Projektionsfläche dar. Aber diese 
Projektionsfläche zieht Sehnsüchte an, die keiner Nationalität 
unterworfen sind. Amerikaner haben mit Obama keinen hervorstechend 
kompetenten Politiker gewählt, der wüsste, wie man einen implodierten
Finanzmarkt repariert. Und Deutsche mögen Obama nicht ursächlich, 
weil er schwarz ist. In Obama spiegelt sich vielleicht nur der naive 
Wunsch, er möge ein guter Mensch sein, dessen starkes Vorbild andere 
Menschen zur Gemeinschaft anleite.
In diesen geldgierigen armen Zeiten wären viele Deutsche 
womöglich schon froh, wenn sie überhaupt eine Projektionsfläche 
hätten. So aber starren sie auf Leinwände, auf denen Politiker über 
Erbschaftssteuer, Linkspartei und all die kleinen Schrauben sprechen,
an denen sie eines Tages drehen werden, sofern der politische Gegner 
das nicht verhindert, womit aber jederzeit zu rechnen ist . . .

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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