Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Zum Mord an Marwa S. - Kopftuch als Feindbild - Leitartikel von Gudrun Büscher
Essen (ots)
Ausgerechnet Ahmadinedschad. Mit harschen Worten spielt sich der umstrittene iranische Präsident und Holocaust-Leugner, der nach seinem zweifelhaften Wahlsieg mächtig unter Druck steht, zum Anwalt der in Dresden ermordeten Ägypterin Marwa S. auf. Das ist nur eins: lächerlich.
Und doch sollte der Tod der jungen Mutter Anlass sein, innezuhalten. Warum nur hat dieser bestialische Mord in Deutschland so wenig Anteilnahme erfahren? Warum nahmen wir das Unfassbare so ungerührt zur Kenntnis?
Es ist nötig, den Fall noch einmal zu schildern: Marwa (31) starb im Gerichtssaal in Dresden. Sie wurde vom Angeklagten mit 18 Messerstichen ermordet. Die schwangere Frau aus Ägypten, Mutter eines dreijährigen Jungen und studierte Apothekerin, hatte den Russlanddeutschen angezeigt, weil er sie auf einem Spielplatz als "Islamistenschlampe" und "Terroristin" beschimpft hatte. Vermutlich, weil Marwa ein Kopftuch trug. Alex W. (28) hatte vor Gericht seine Ausländerfeindlichkeit und seinen Hass auf Muslime nicht versteckt. Er hatte den Mord offenbar geplant und das Messer mit in den Gerichtssaal gebracht.
In Ägypten, wo Marwa beerdigt wurde, war der Tod der jungen Frau in Deutschland Thema in Talkshows und Leitartikeln. Sie gilt als "Kopftuch-Märtyrerin" und als Beweis für Islamfeindlichkeit in Deutschland. Nicht wenige Muslime fragen sich, ob die Reaktionen der Menschen und Medien auch so verhalten verlaufen wären, wenn Marwa kein Kopftuch getragen hätte. Oder was passiert wäre, wenn eine Jüdin von einem Mann ermordet worden wäre, der mit Rechtsradikalen sympathisiert.
Berechtigte Fragen. Die Muslime sind nach den Anschlägen vom 11. September 2001 unter Generalverdacht geraten. Und das Kopftuch hat sich in einer überhitzten Debatte zu einem Symbol entwickelt, das Vorurteile schürt und Feindbilder prägt.
Deutschland ist kein ausländerfeindliches Land. Aber die Engstirnigkeit, die Pauschalierung und die Furcht vor Differenzierungen waren ein idealer Nährboden auch für Menschen wie Alex W.. "Ich finde es nicht in Ordnung", so rechtfertigte er seine Beleidigungen gegen die junge Kopftuchträgerin, "dass diese Monster nach dem 11. September nicht rausgeschmissen wurden."
Ja, Alex W. ist ein Einzeltäter. Mit seiner Meinung aber steht er auch im Jahr 2009 leider nicht alleine da.
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