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WAZ: Afghanistan stimmt ab - Wahlen in Zeiten des Krieges - Leitartikel von Richard Kiessler
Essen (ots)
Mitten im gesicherten Regierungsviertel der Hauptstadt schlagen Raketen ein. In den umkämpften Provinzen Kandahar, Helmond und Wardak häufen sich die Anschläge. Angriffe auf Militärkonvois und Polizeistationen sind selbst im weniger gefährdeten Norden Afghanistans, wo die Deutschen ihr Lager aufgeschlagen haben, an der Tagesordnung. Nie zuvor seit dem Sturz der Taliban vor acht Jahren war die Sicherheitslage so prekär wie jetzt kurz vor den Wahlen eines neuen Präsidenten. Es sind Wahlen in Zeiten des Krieges.
Überall sind die radikal-islamischen Gotteskrieger auf dem Vormarsch, dreht sich die Spirale der Gewalt: Im Juli, dem blutigsten Monat seit ihrem Einmarsch nach dem 11. September 2001, fielen 76 Soldaten der ISAF-Schutztruppe. Deren Oberbefehlshaber, der US-General McChrystal, spricht von einem "sehr aggressiven Feind" - und wird nach der Wahl eine Verstärkung der internationalen Truppen einfordern - auch in Berlin. Doch die Fragen werden lauter, ob das Ziel des Militäreinsatzes einer Öffentlichkeit zu vermitteln ist, die immer mehr Zweifel hegt, ob die ausländischen Helfer nicht längst mit ihrem Bemühen gescheitert sind, Afghanistan zu befrieden.
Eigentlich sollte die Wahl den Übergang zur Normalität markieren. Doch der Staatsaufbau ist hinter den gesteckten Zielen zurück geblieben, das Klima verbreiteter Korruption hält an, der Drogenanbau boomt und viele Afghanen meinen, dass Karsai und seine Regierung nicht fürs Volk arbeiten, sondern für ihren Vorteil. Dennoch wird der alte Präsident wohl auch der neue sein. Denn außer Ex-Außenminister Abdullah hat keiner der mehr als 40 Bewerber ernsthafte Chancen gewählt zu werden.
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