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WAZ: Dortmunder Wahl wird wiederholt - Sieraus späte Einsicht - Leitartikel von Michael Kohlstadt

Essen (ots)

Der Gordische Knoten in Dortmund ist durchschlagen.
Oberbürgermeister Ullrich Sierau hat gestern die Flucht nach vorn 
angetreten. Durch seine dringende Empfehlung an alle Ratsmitglieder, 
der Wahlanfechtung stattzugeben, setzt Sierau ein klares Signal. Die 
Kommunalwahl wird infolge der Haushaltslüge nun also doch wiederholt.
Bundesweit ein einmaliger Vorgang, der einen Präzedenzfall schafft.
Erstmals nämlich erklärt die Politik einen Urnengang für 
ungültig, weil Politiker im großen Stil das Blaue vom Himmel 
versprochen haben. So viel Einsichtsfähigkeit war nie. Und Politiker 
wären nicht Politiker, wenn sie das nicht als Akt der Selbstreinigung
verkaufen würden. Zwar gab es im hessischen Bad Homburg vor Jahren 
einen ähnlichen Fall. Dort aber ging es um weniger relevante 
Informationen über ein Immobiliengeschäft. In Dortmund dagegen steht 
nichts Geringeres als die Zukunftsfähigkeit einer Großstadt auf dem 
Spiel. Da ist Wählertäuschung eine andere Hausnummer.
Fragen aber bleiben: Warum kommt Sieraus Befreiungsschlag erst 
jetzt? Und: Ist er wirklich befreiend? Ganz offensichtlich war der 
Druck zu groß nach dem Urteil des Rechtsgutachtens über die 
Gültigkeit der Wahl. Ein derart glasklares Expertenurteil pro 
Wahlwiederholung hatte niemand erwartet. Zwei Tage brauchten die 
Genossen zur Selbstfindung. Dann setzten sie sich an die Spitze der 
Bewegung. So ist Politik. Mangelnde Flexibilität jedenfalls kann man 
den Sozialdemokraten nicht vorwerfen.
Was nun kommt, ist ein Kuriosum in der deutschen Kommunalpolitik.
Nicht Hintertupfingen, sondern die 600 000-Einwohner-Stadt Dortmund 
wird für eine Übergangszeit ohne Oberbürgermeister dastehen, und das 
in ihrer schwersten Haushaltskrise. Sierau muss sein erst vor sieben 
Wochen bezogenes Amtszimmer wieder verlassen. Zu verdanken hat 
Dortmund dieses Possenspiel, das den Steuerzahler 1,1 Mio Euro kosten
wird, der Selbstherrlichkeit seines Ex-OBs Gerhard Langemeyer. Es 
gibt schon Stimmen, die den Verursacher, der noch ein sattes Salär 
als RWE-Aufsichtsrat bezieht, in der Haftung sehen.
Schuld aber ist nie nur ein Einzelner. Langemeyer zu 
kontrollieren, oblag der Opposition - und vor allem der eigenen 
Partei. Dazu war die SPD nicht willens oder in der Lage. Auch Sierau,
Langemeyers Stadtdirektor und Stellvertreter, geriet zu Recht ins 
Fadenkreuz der Kritik. Dass er nun erneut antreten will, ist ein 
Risiko - für ihn selbst und für die Dortmunder SPD.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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