Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Rüttgers trennt sich von Wüst - Ein Abgang, kein Schlussstrich. Leitartikel von Walter Bau
Essen (ots)
Für Hendrik Wüst ist es das vorläufige Ende eines raschen Aufstiegs. Der Job des Generalsekretärs im größten CDU-Landesverband, das hatte sich nach diversen Pannen in den vergangenen Monaten immer deutlicher gezeigt, war für den 34-jährigen Ex-Landesvorsitzenden der Jungen Union eine Nummer zu groß. Mangelnde Erfahrung und fehlendes politisches Geschick versuchte Wüst mit einem übertrieben forschen Auftreten und Agieren zu kompensieren - das konnte nicht gutgehen.
Für den Ministerpräsidenten und CDU-Landesvorsitzenden Jürgen Rüttgers ist mit der gestern vollzogenen Trennung von Wüst aber kein Schlussstrich gezogen. Nicht allein, dass Rüttgers zehn Wochen vor der Landtagswahl am 9. Mai der wichtigste Parteimanager abhanden gekommen ist und ein erfahrener Organisator für den unmittelbar bevorstehenden Wahlkampf so leicht nicht zu finden ist - auch die brisante Sponsoring-Affäre bleibt Rüttgers erhalten. Der glücklose Wüst eignet sich in dieser Angelegenheit nur bedingt zum Bauernopfer.
Denn seit der Enthüllung des CDU-Plans, auf dem kommenden Landesparteitag gegen Geld exklusive Gesprächstermine mit dem Regierungschef und Mitgliedern seines Kabinetts anzubieten, tauchen immer mehr Hinweise auf, dass dies bereits bei früheren Parteitagen oder Kongressen der NRW-CDU anscheinend gängige Praxis war. Rüttgers beteuert, von den Gesprächsofferten seiner Parteizentrale an Sponsoren nichts gewusst zu haben. Hält diese entscheidende Verteidigungslinie?
War Rüttgers bei seinen Stippvisiten an Unternehmens-Ständen am Rande früherer Partei-Veranstaltungen (wie auch in anderen Parteien übliche Praxis) tatsächlich ahnungslos, dass er quasi "verkauft" worden war? Dann hätte der NRW-CDU-Chef seinen Düsseldorfer Partei-Apparat nicht im Griff gehabt. Deshalb musste Wüst ja gehen. Dem Ministerpräsidenten "Käuflichkeit" vorzuwerfen, wie dies aus den Reihen der Opposition geschieht, ist allerdings - bis zum klaren Beweis des Gegenteils - absurd.
Dessen ungeachtet zeigt die Sponsoring-Affäre, dass in Sachen Parteien-Finanzierung in Deutschland nach wie vor einiges im Argen liegt. Die von Politikern jeglicher Couleur oft versprochene Transparenz auf diesem Gebiet ist offenbar nicht viel mehr als ein Lippenbekenntnis. Alle Parteien müssen deshalb schnell und nachdrücklich darauf dringen, dass die Grauzone, in der sich die Spendenpraxis ganz offensichtlich immer noch befindet, aufgehellt wird. Nicht zuletzt in ihrem eigenen Interesse.
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