Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Spionage - das blühende Geschäft. Kommentar von Ulrich Reitz
Essen (ots)
Überraschend ist nicht einmal die Überraschung. Angela Merkel war ja wohl auch deshalb überrascht, empört, zornig (und so weiter), weil sie die Überraschung nicht ihrem französischen Partner Hollande überlassen wollte. Wäre Merkel nicht überrascht gewesen, wäre Hollande allein überrascht gewesen. Er wäre der Positiv-Held des Datenschutzes gewesen, der sich mit dem mächtigsten Mann der Welt anlegt, Merkel die Negativ-Heldin der ewigen Beschwichtigung. In der Politik geht es nun einmal nicht um Ideale, sondern um Interessen und Macht. Es ist schon putzig, wie sich Bayerns Seehofer nun zum obersten Datenschützer aufschwingt oder Sigmar Gabriel sich todesmutig vor die Kanzlerin wirft. Merkel wurde von den Amis abgehört, als sie mit einem ungeschützten Handy telefonierte. Wird es wichtig, greift sie zum Krypto-Smartphone. Was heißt das? Merkel weiß, dass sie abgehört wird. Als sie ihr nicht abhörsicheres Gerät benutzte, war es ihr offenbar egal. Allzu wichtig war es wohl nicht, was sie zu erzählen hatte. An dieser Stelle soll nichts beschwichtigt werden. Regierungschefs befreundeter Staaten abzuhören ist ebenso eine Sauerei, wie Bürger dieser Staaten auszuforschen. Allerdings ist es eine übliche Sauerei, die auch vom Völkerrecht geduldet wird - Spionage ist völkerrechtlich nicht strafbar. Findet man Spione, kann man sie aber wegen Landesverrats einsperren. Schon Helmut Schmidt und Helmut Kohl gingen davon aus, von den USA ausgespäht zu werden. Sie waren Realisten. Die Kategorie befreundeter Staat lässt keine Freundlichkeit erwarten, wenn es um die eigenen nationalen Interessen geht. Für Obama zählt nur eins: die Sicherheit seines Homelands. 42 Anschläge habe die NSA verhindert, ließ er (unüberprüfbar) wissen. Der Terror von 9/11 ist auch in Deutschland geplant worden. Das reicht den USA, ihre Partner zu überwachen. Ihre Telefone und E-Mails, aus der Luft über Satelliten, mit Hilfe elektronischer Anlagen, womöglich auch auf der US-Botschaft in Berlin. Wenn dabei etwas abfällt für die Wirtschaft, umso besser. Ein schmutziges Geschäft. Eines, das floriert.
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