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WAZ: Parteitage sagen Ja zur großen Koalition: Durchstarten, jetzt - Leitartikel von Rolf Potthoff

Essen (ots)

Die große Koalition steht. Rot-Grün ist Geschichte.
Dass Tränen zum Abschied des Kanzlers rannen, mag Zeichen dafür sein,
dass auch die Politik Gefühle kennt.
Aber dies ist die Zeit der Sachlichkeit. Es geht um das Land, das
von Ländern umgeben, ist, denen ein höheres Wachstum gelingt, die
geringere Arbeitslosigkeit haben, und weniger Neigung zu
Krisenszenarien, Selbstmitleid und Mutlosigkeit. Um ganz zu Schweigen
von jener atemberaubenden Wirtschaftsdynamik asiatischer Staaten, die
nicht tausende Kilometer weit entfernt liegen, sondern in der
globalisierten Wettbewerbswelt direkt vor der Tür.
Genau damit ist die große Aufgabe der neuen Koalition beschrieben:
Innere Stabilität wiederherstellen, Hoffnung gegen
Perspektivlosigkeit setzen und den Anschluss an frühere Stärke
versuchen. „Made in Germany” stand ja für mehr als nur für kernsolide
Produkte. Da drückte sich der Glauben an ein funktionierendes Markt-
und Gesellschaftssystem aus. Übrigens galt eine
Unternehmensphilosophie, die sich nicht nur an Renditen orientierte,
sondern sich auch an der Verantwortung für Belegschaft und
Gesamtstaat maß – nicht der übelste Ansatz.
Erste Weichen, den Wagen Deutschland wieder zu beschleunigen, sind
jetzt gestellt. Welcher Kraftakt das war, hat Merkel beschrieben, in
dem sie von einem Partner sprach, „mit dem wir über 40 Jahre in die
tiefsten Kämpfe verstrickt waren”. Und die imponierende Zustimmung
der Parteitage lässt hoffen: Wille zum Durchstarten ist da.
Jedoch muss die neue Brüderlichkeit mehr leisten als die Gesundung
der Haushalte und die Erfüllung des Stabilitätspakts der EU, so
prioritär das auch ist. Das Land braucht das Konzept für eine
Gesellschaft, die den Gefahren der Globalisierung trotzen und deren
Chancen wahrnehmen kann. Noch ist ein solches Bild nicht zu erkennen.
Das ist das große Manko des Vertrags.
Das Bündnis muss ferner beweisen, dass es sich der Opfer bewusst
ist, die Millionen Menschen abverlangt werden, Rentnern,
Schichtarbeitern, Pendlern. Aber es darf sich dennoch nicht seinen
Kritikern beugen, sich gar erspressbar für Lobby-Einwände zeigen, die
dem Bündnis vorwerfen, es biete zu wenig, zu viel, sei zu feige, zu
forsch.
Denn so schlecht ist das Koalitionswerk nicht. Es hat eine Chance
verdient.

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