Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Kommentar zu: Naturschutz und der Rhein: Europa mit der Brechstange - Von Jürgen Polzin
Essen (ots)
Der Rhein, ein Juwel. Schiffbar von Rotterdam bis Basel, was ihn zur wirtschaftlich wichtigsten Wasserstraße Europas machte, allerdings auch zur Kloake. Der Rhein, er erzählt durchaus eine Leidensgeschichte.
Nirgendwo anders in Europa leben so viele Menschen am und mit dem Fluss. Würde der Rhein als Transportweg entfallen, dann wäre es so, als würde man den Industrieregionen den Strom abschalten. Der Rhein ist nicht nur eine Straße. Er ist d e r Fluss der Deutschen, sagenumwoben, Sinnbild der Romantik. Ein sensibles Ökosystem, das man über viele Jahre hinweg vergiftete, um es nun mit Millionen Euro wieder mit mehr Leben zu erfüllen. Ökonomie und Ökologie das waren schon immer Anrainer, die nicht gut miteinander konnten.
Um den Ausgleich wirtschaftlicher Interessen und der Belange des Naturschutzes ist es nun wieder schlecht bestellt. Die EU droht Nordrhein-Westfalen mit einer Millionenstrafe, falls das Bundesland den Strom nicht weitreichend als Schutzgebiet ausweist. Als ob man Naturschutz mit der Brechstange erzwingen könnte.
Die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, deren Name allein schon viel über das Wirken der Brüsseler Bürokraten verrät, ist eines der abschreckendsten Beispiele für den Versuch, EU-Recht mit dem Vorschlaghammer zu verankern. Vieles wurde falsch gemacht, Steilvorlagen für den Wahlkampf dankbar genutzt. Erinnert sei an den Feldhamster, dem CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen die Fähigkeit andichteten, Millioneninvestitionen zu verhindern. Die FFH- Richtlinie verfolgte ursprünglich das richtige Ziel, die Perlen Europas zu schützen. Das Regelwerk wuchs über Jahre in den parlamentarischen EU-Gremien. Lange wurde es ignoriert, dann schludrig umgesetzt. Nun also muss es NRW ausbaden.
Ist es nun richtiger, Fische zu schützen, ihnen Ruhezonen zu gestatten? Oder hat Arbeit, haben Güterschiffe Vorfahrt auf dem Rhein, dessen Fahrrinne möglicherweise tiefer gegraben werden muss, damit größere Pötte mehr Güter transportieren? Ökonomie und Ökologie kollidieren wieder einmal in voller Fahrt. Wer diese Bereiche aber immer noch als Gegensätze versteht, hat nichts verstanden. Beides, eine gesunde Wirtschaft und eine gesunde Umwelt ist möglich, auch wenn das in Nordrhein-Westfalen vielleicht schwerer geht als anderswo. Mehr noch: Das eine geht ohne das andere nicht.
Eine EU-Kommission, die reine Luft, sauberes Wasser und unbelastete Böden per Richtlinie verordnet, hat Gutes im Sinn. Nur muss Brüssel die Mitgliedsstaaten mitnehmen, mitreden lassen. Wer Naturschutz so versteht, ein Glas über etwas Kostbares zu stülpen, wird zwangsläufig scheitern. Der Rhein, ein Juwel: Mit dem Aal im Wasser und dem Güterschiff obenauf. Machbar muss beides sein.
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